BibliografieGastbeiträge

Karl May in Kalbleder

Einige Details zu einer seltenen Einbandvariante der Fehsenfeld-Ausgabe

Zur Seltenheit

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KMV-Prospekt zu den
Freiburger Erstausgaben
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Aus Seite (3) des Prospekts
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Aus Seite (2) des Prospekts

Die Kalbleder-Ausgabe der Fehsenfeld-Edition Karl May’s ge­sammelte Reiseerzählungen ge­hört nach eigener Einschätzung nach über vier Jahrzehnten aktiven Sammelns alter Karl-May-Ausgaben zu den großen antiquarischen Raritäten, weil sie of­fenbar in nur sehr ge­rin­ger Stückzahl hergestellt wurde. So auch ein undatierter Prospekt des KMV für „Karl May. Gesammelte Reiseerzählungen. Exklusive Reprint-Edition der Freiburger Erst­ausgaben.“: „Die­se in Sammlerkreisen wegen ihrer großen Seltenheit und ihrer geschmackvollen Ge­stal­tung besonders be­gehrte Ausführung in braunem Halbleder gilt seit Jahrzehnten als un­er­reich­ba­re Rarität […].“ [Karl-May-Verlag 1981; S. (3)]. Auch ansonsten gut sortierte May-Sammlungen enthalten heute selten mehr als ein(ige) Belegstück(e) dieser attraktiven Bände. Wie an anderer Stelle schon vor Jahren mitgeteilt wurde, ist diese vielleicht „schön­ste“ [Karl-May-Verlag 1981; S. (2)] Aus­stattung vom Verleger Fehsenfeld auch nicht durchgehend be­worben worden. [Blau 1994; S. 49; vgl. auch Werbematerialien des Verlags, abgedruckt bei Jendrewski 2018; S. 104–114]. Dies, der damals hohe Ladenpreis von 5,— Mark und die edle Schlichtheit der Gestaltung – für 4,50 Mark konnte seinerzeit die dunkle Halbfranzausgabe mit dem Zeitgeschmack womöglich eher entsprechender deutlich üppigerer Rückenvergoldung und marmorierten Deckeln er­worben werden – mögen dazu beigetragen haben, dass die Verbreitung gering blieb.

Zur Entstehungszeit der Kalbleder-Varietät

Immerhin wissen wir durch ein Auktionsangebot mit Abbildung der offerierten Bücher, dass es tatsächlich die ganze 33-bändige Fehsenfeldreihe in dieser Ausstattung gegeben hat: 2007 wurden 32 Bände der Kalbleder-Ausgabe, die offenbar aus dem Nachlass/Umfeld von Mays Edelfan Max Welte (1877–1934) stammten, versteigert [Bassenge 2007; S. 67–69]; es fehl­te lediglich „Durch das Land der Skipetaren“, wovon dem Verfasser aber zwei Exemplare unterschiedlicher Auflagen vorliegen. Durch dieses Auktionsangebot wurde auch der frü­he­ren Annahme, dass es die Fehsenfeld-Bände in dieser Ausstattung nicht von Beginn an, son­dern vielleicht erst um die Jahrhundertwende herum gegeben hätte [Blau 1994; S. 49 und 54, FN 11 unter Hinweis auf eine Formulierung von Roland Schmid], der Boden entzogen. Denn in der angebotenen Reihe fanden sich auch Exemplare aus dem Anfangsjahr 1892 [Bas­sen­ge 2007; S. 67].

Kalbleder Bischof
In Gold gedruckte/geschriebene Wid­-
mung für eine Bischöf­liche Biblio-
thek

Insoweit bleibt angesichts der fehlenden Erwähnung in der frühen Verlagswerbung zwar weiter eine gewisse Skepsis er­laubt, weil natürlich auch im Einzelfall ein alter Rohbuchblock später aufgebunden worden sein kann. Allerdings deutet ein Wid­mungsblatt des Verlags aus einem auf 1894 datierten Kalb­leder-Exemplar, mit dem es einer bischöflichen Bibliothek „ehr­furchtsvoll zugeeignet“ wurde (Abb.) [Jendrewski 2015; S. 49], doch auf eine relativ frühe Verwendung hin. Denn solche Ver­le­ger­geschenke, von denen man sich wiederum für die Buch­wer­bung zitierfähige positive Rückmeldungen versprach, erscheinen werbe­tech­nisch eigentlich nur in zeitlicher Nähe zur Markteinführung eines Buches bzw. ei­ner Serie sinnvoll. Vom Verleger Fehsenfeld ist hierzu als Erinnerung überliefert:

Ganz besonders aber stieg der Absatz, als Erzieherkreise, na­ment­lich aus der katholischen Geistlichkeit, Karl Mays Werke empfahlen. Ich hatte hervorragenden Persönlichkeiten aus diesen Kreisen be­son­ders prächtig eingebundene Bände überreicht.

Fehsenfeld gemäß [Guenther 1934]

Entgegen früherer Mutmaßungen [Blau 1994; S. 53] wird man angesichts des in einem Kalblederband nachgewiesenen Widmungsblattes wohl davon ausgehen können, dass Feh­sen­feld eben diese „besonders exquisite Ausgabe“ [Hermesmeier/Schmatz 2004; S. 44] für die beschriebenen Werbezwecke nutzte.

Die Kalbleder-Edition als Reprint-Vorlage

Die Kenntnis von dem Umstand, dass es sich (auch) bei der Buchausstattung der Kalb­lederbände nicht um ein lediglich für die Mayausgabe verwendetes, exklusives Design han­delte, verdanken wir Ruprecht Gammler [2010; S. 49f.].

FEA-Prospek5
KMV-Reprints in Skivertex (links) und Halbleder (rechts)

Etwas inflationäre Verwendung fanden schließlich die meisten Gestal­tungs­merkmale der Fehsenfeld-Ausstattung in Kalb­le­der später durch die Stan­dard­version in Skivertex (Kunsthalbleder ab 1982) der KMV-Re­print­ausgabe der „Freiburger Erstausgaben“, deren Äu­ße­res bei verschiedenen Abwei­chun­gen im Detail an die seltenen Originale an­gelehnt war; auch die – nach Ausver­kauf der auf 400 Serien limitierten „Halbfranz“-Variante der „Freiburger Erstausgaben“ in dunklem Leder produzierte – (zwei­te) Vorzugsausgabe (ab 1985) hatte die Kalbleder-Ausstattung zum Vor­bild (siehe Abb.). Die Werbung des KMV, die Reprintbände würden dem Original „bis in kleinste Einzelheiten“ gleichen [Karl-May-Verlag 1981; S. (4)], ist in diesem Punkt von der Wahrheit allerdings so weit entfernt, wie es zu Werbezwecken eben üblich ist.

Dasselbe muss man leider auch von der wahrscheinlich wichtigsten damaligen Besprechung des KMV-Fehsenfeld-Reprints sagen, wonach die Bücher „für das Auge vom Original kaum zu unterscheiden“ wären [Roxin 1983; S. 35]. Auf Grund der nachfolgend wiedergegebenen Abbildungen von „echten“ Kalblederbänden kann unschwer diese allzu wohlwollende Ein­schät­zung hinterfragt werden. Durch den KMV-Reprint und vorab das zugehörige Wer­be­ma­terial (vgl. die Abbildungen im ersten Abschnitt) dürfte jedoch vielen Interessierten überhaupt erstmals ein visueller Eindruck von dieser Ausstattung gegeben worden sein. Denn eine zeitlich vor dem Wer­be­ma­terial des KMV zur Reprintedition der „Freiburger Erstausgaben“ zu datierende bildliche Doku­men­tation dieser seltenen Buchausstattung in der Karl-May-Sekundärliteratur ist je­den­falls dem Verfasser nicht bekannt.

Zur Größe der Stichprobe

Angesichts der relativen Seltenheit der Bände ist es nicht einfach, einen Vergleich einzelner Stücke untereinander vorzunehmen, der einigermaßen den Anspruch der Repräsentativität erfüllen kann. In Vorbereitung dieses Textes lagen lediglich elf Exemplare physisch vor, von weiteren Stücken konnten Bilder und Beschreibungen von den glücklichen Besitzern erlangt werden. Ergänzend fanden sich Bilder über die Jahre bei Angeboten einzelner Kalbleder-Bände im Internet. Hinsichtlich des größten bekannten Konvoluts von 32 Bänden ergaben sich aus dem Auktionskatalog von 2007 [Bassenge 2007; S. 67f.] die Auflagen der einzelnen Bände sowie ein Bild der Buchrücken der gesamten Reihe. Hier konnten im Rahmen der Recherche für diesen Artikel mündliche Auskünfte und auch zwei Fotos als Quellen erlangt werden. Ein erstes Bild, ausgehend von knapp 70 Exemplaren, rundet sich damit immerhin.

Vergleich der Einbandfärbung

Zunächst, wenig überraschend, ergab sich eine gewisse farbliche Bandbreite bei dem haupt­sächlichen Einbandmaterial: Der Farbton bzw. Helligkeit/Dunkelheit des braunen Kalbleders als Naturstoff unterscheidet sich teilweise nicht unerheblich von Band zu Band. Dies ist auch bereits auf der Abbildung der oben erwähnten 2007 versteigerten 32-bändigen Reihe zu er­kennen [Bassenge 2007; S. 68f.]. Bei den für diese Arbeit in Augenschein genommenen Ex­em­plaren ist der Variantenreichtum dabei noch etwas deutlicher erkennbar. Zwar ist in­sofern zu berücksichtigen, dass das Erscheinungsbild des Leders auch abhängig ist von äußeren Bedingungen. Durch ständigen Lichteinfall bedingtes Ausbleichen, aber auch durch häufige Nutzung oder unsachgemäße Lagerung bedingte Patina sind Umstände, die hier zu berücksichtigen sind. Entsprechende Farb- oder Helligkeitsvarianten sind daher für einen Vergleich letztlich nur eingeschränkt ergiebig, sollen gleichwohl einmal exemplarisch do­ku­men­tiert werden:

Rückenvergleich

Immerhin können beide Reprintausstattungen für sich in Anspruch nehmen, in der Rü­cken­färbung den Originalen nahe gekommen zu sein. Die Skivertexversion (links außen) und die zweite Halblederausgabe (rechts außen) rahmen einige Originalexemplare ein, die das Farb­spektrum beispielhaft wiedergeben. Freilich findet sich bei den glatten Fehsenfeldern weder die grobe Narbung des Kunstlederreprints noch die feinere des Halbleder-Faksimiles. In den Rückenschildern ist die Nachbildung der scharfen und gleichzeitig dünnen Linienführung der Fehsenfeld-Typografie nicht wiederzufinden.

Vergleich der Vorsatzmuster

Auffällig ist, dass nicht alle zeitgenössischen Bände dasselbe Vorsatzmuster aufweisen. Denn im Grundsatz verwendete die von Fehsenfeld beauftragte Buchbinderei – C[arl] H[ermann] Schwabe aus Stuttgart [Schmatz 2022; S. 26/28] – für die verschiedenen Ausstat­tungs­va­rianten der Karl-May-Reihe die Vorsätze exklusiv, so insbesondere ein hellgrünes Muster für die grünen Lei­nenbände, ein goldenes Jugendstilmuster für die Schneider-Bände, Mar­mor­papier für die Halb­franzbände, ein gold-weißes Papier für die Himmelsgedanken usw. [Schmatz 2022; S. 26/28]. Nur in relativ seltenen Ausnahmefällen wurden offenbar ver­se­hentlich Vor­satz­pa­pie­re „falsch“ verarbeitet, findet sich einmal ein grünes Vorsatz in einem Schneider-Ex­em­plar oder den Himmelsgedanken [Blau/Hermesmeier 2024a; S. 58], ein anderes Mal ein goldenes „Schneider-Papier“ in einem gewöhnlichen grünen Band.

Auf der Grundlage der – relativ wenigen – ausgewerteten Exemplare der Kalbleder-Reihe sei die Behauptung gewagt, dass die Streuung unterschiedlicher Vorsätze hier etwas breiter gewesen zu sein scheint. Die elf Bände, die für diese Arbeit selbst in Augenschein ge­nom­men werden konnten, ergänzen sich um weitere fast 60 Bücher, für die freundlicherweise Informationen und teilweise Bildmaterial zur Verfügung gestellt wurden. Die Bandnummern verteilen sich dabei auf die ganze Reihe von Band GR I bis GR XXXIII; mehrere Titel waren doppelt oder mehrfach vorhanden. So kann für mehr als 60 Exemplare in Kalbleder die Ver­wendung gleicher bzw. voneinander abweichender Vorsatzpapiere dokumentiert werden. Hin­zu kommen – wie erwähnt – Erkenntnisse aus wenigen Online-Verkaufsangeboten mit beigefügten Bildern bzw. aus der Titelaufnahme einzelner Stücke für die KMG-Auktionen der letzten Jahre [Hermesmeier 2021; Lose 72, 81 / Hermesmeier 2023; Los 42].

Dabei sei vorausgeschickt – um argwöhnischen Vermutungen, bei ‚von der Norm ab­wei­chen­den‘ Vorsätzen handele es sich womöglich teilweise um private Bindearbeiten unter Verwen­dung von Broschuren/Lieferungsheften und einzeln gekaufter Original­ein­band­de­cken, entge­gen­zu­wirken –, dass es sich bei sämtlichen angesprochenen Bänden um Ver­lagsbindungen han­delt. Alle Exemplare weisen ebenfalls eine für die Fehsenfeld-Bände typische Drahtheftung statt einer Fadenheftung, den hellen Leinenstreifen als verstärkten Innenfalz, die rote Schnittfärbung, gleiche Kapitalbänder und jeweils ein grünes Lese­bänd­chen/-zeichen auf.

Kalbleder Vorsätze

Alle fünf (!) unterschiedlichen bekannten verwendeten Vorsatzpapiere haben zunächst fol­gen­de Gemeinsamkeiten: sie sind goldgrundiert, haben ein feines Karomuster im Hin­ter­- und ein florales Muster im Vordergrund. Was die Verteilungshäufigkeit der verschiedenen Papiere angeht, ergibt die vorgenommene Stichprobe folgendes Bild:

Motiv 1 (Standard; Eichenlaubmuster)

Mit Abstand am häufigsten findet sich das aus den KMV-Reprintbänden hinlänglich be­kann­te Eichenlaubmuster [Schmatz 2022; S. 26, Abb. 1c | Gammler 2010; S. 50, Abb. 5]. Dieses scheint bei der Buchbinderei Schwabe grundsätzlich für die Kalbleder-Variante vor­ge­se­hen gewesen zu sein. Es wurde für fast 90 Prozent der herangezogenen Bände verwendet.

Vergleich des Originals (links) mit dem Reprint (rechts). Das Muster ist gut getroffen, steht beim Reprint aber auf dem Kopf. Das Papier ist gelb- statt goldgrundiert und es fehlt der Leinenstreifen im Falz.

Dieses Vorsatzpapier ist – ohne jeglichen Anspruch auf Vollständigkeit – jedenfalls nach­weis­bar für folgende Titel. Soweit hier – im Zusammenhang mit der Beschreibung im Auk­tionskatalog von Bassenge – lediglich mündliche Mitteilungen vorlagen, ist dies in der Auf­stel­lung daran kenntlich gemacht, dass der entsprechende Eintrag grau gekennzeichnet ist:

Band-Nr.TitelAuflagenJahr
IDurch die Wüste [sic]
Durch die Wüste.
Dritte Auflage.
31.—35.Tausend
1894
[1898]
IIDurchs Wilde Kurdistan[Erstausgabe]
26.—30.Tausend
36.—40.Tausend
[1892]
[1898]
[1900]
IIIVon Bagdad nach Stambul[Erstausgabe]
21. bis 25.Tausend.
31.—35.Tausend
[1892]
[1898]
[1900]
IVIn den Schluchten des Balkan
In den Schluchten des Balkan.
[Erstausgabe] (2×)
31.—35. Tausend (2×)
[1892]
[1901]
VDurch das Land der Skipetaren
Durch das Land der Skipetaren.
[Erstausgabe] (2×)
26.—30. Tausend
[1892]
[1900]
VIDer Schut.
Der Schut
[Erstausgabe] (2×)
26.—30. Tausend
[1892]
[1899]
VIIWinnetou der Rote Gentleman. 1. Band.[Erstausgabe] (2×)[1893]
VIIIWinnetou der Rote Gentleman. 2. Band.[Erstausgabe] (2×)[1893]
IXWinnetou der Rote Gentleman. 3. Band.[Erstausgabe] (2×)[1893]
XOrangen und Datteln.[Erstausgabe]
21.—25. Tausend
[Titelei vakant]
1894
[1899]
XIAm Stillen Ocean.[Erstausgabe]1894
XIIAm Rio de la Plata.[Erstausgabe] (2×)
21.—25. Tausend.
1894
[1899]
XIIIIn den Cordilleren.[Erstausgabe] (2×)
16. bis 20. Tausend. (2×)
1894
[1898]
XIVOld Surehand. 1. Band.16. bis 20. Tausend.[1898]
XVOld Surehand. 2. Band.16. bis 20. Tausend. (2×)[1898]
XVIIm Lande des Mahdi · I. Band1. Auflage · 1. bis 5. Tausend
11. bis 15. Tausend.
1896
[1896]
XVIIIm Lande des Mahdi · II. Band1. Auflage · 1. bis 5. Tausend (2×)1896
XVIIIIm Lande des Mahdi · III. Band1. Auflage · 1. bis 5. Tausend (2×)
16. bis 20. Tausend.
1896
[1898]
XIXOld Surehand. 3. Band.1. bis 15. Tausend.[1896]
XXSatan und Ischariot · I. Band11.—15. Tausend.
16.—20. Tausend. (3×)
1897
[1898]
XXISatan und Ischariot · II. Band11.—15. Tausend1897
XXIISatan und Ischariot · III. Band11.—15. Tausend1897
XXIIIAuf fremden Pfaden1.—10. Tausend (2×)
21.—25. Tausend
1897
[1900]
XXIV„Weihnacht!“1.—15. Tausend
21.—25. Tausend
1897
[1900]
XXVAm Jenseits1.—15. Tausend (4×)1899
XXVIIm Reiche des silbernen Löwen · 1. Band1.—15. Tausend1898
XXVIIIm Reiche des silbernen Löwen · 2. Band1.—15. Tausend1898
XXVIIIIm Reiche des silbernen Löwen · 3. Band.6.—10. Tausend (2×)
11.—15. Tausend
[1902]
[1902]
XXIXIm Reiche des silbernen Löwen · 4. Band1.—5. Tausend[1903]
XXXUnd Friede auf Erden!6.—10. Tausend[1904]

Motiv 2 (Weinlaubmuster)

Immerhin dreimal, mithin in etwa knapp 5 Prozent der – zugegebenermaßen angesichts der geringen Anzahl von Vergleichsstücken nicht wirklich repräsentativen – Stichprobe, ließ sich jedoch ein Vorsatzpapier nachweisen, welches unlängst auch für eine offenbar spä­tere Bindequote der Himmelsgedanken beschrieben werden konnte [Blau/Her­mes­mei­er 2024b; S. 31, Abb. 22].

Kalbleder-Vorsatz1
Vorsatzmotiv 2 bei Kalblederbänden
Band-Nr.TitelAuflageJahr
IVIn den Schluchten des Balkan.41.—45. Tausend.[1899]
VDurch das Land der Skipetaren.26.—30. Tausend[1900]
XIAm Stillen Ocean26.—30. Tausend[1900]

Motiv 3 (Reiseerzählungen)

Eine mo­tiv­gleiche goldgrundierte Variante (links) des weißgrundierten Papiers (rechts), welches für die grüne Leinen-Ausgabe verwendet wurde, findet sich ebenfalls in drei be­kannten Exemplaren der Kalblederedition:

Band-Nr.TitelAuflageJahr
IIIVon Bagdad nach Stambul26.—30. Tausend[1899]
XXXIArdistan und Dschinnistan · 1. Band1.—10. Tausend[1909]
XXXIIArdistan und Dschinnistan · 2. Band1.—10. Tausend[1909]

Motiv 4 (Herzform)

Lediglich je einmal lassen sich zwei weitere Vorsatzabweichungen belegen. Die ent­spre­chenden Exemplare sind jeweils mit einem im Maykosmos ansonsten bislang völlig un­be­kannten Vorsatzmuster versehen, welches stilistisch zu den anderen drei Varianten jedoch große Parallelen aufweist. Das erste der beiden Einzelmotive stellte Edmund-Kara Jen­drewski freundlicherweise zur Verfügung:

Kalbleder-Vorsatz4
Band-Nr.TitelAuflageJahr
XXIISatan und Ischariot · III. Band26.—30. Tausend[1906]

Motiv 5 (Kelchblüten)

Der letzte Band der Reihe erhielt noch einmal ein anderes Vorsatzmuster. Das Foto hat dan­kenswerterweise Dieter Westermilies bereitgestellt:

Kalbleder-Vorsatz5
Vorsatzmotiv 5 bei Kalblederbänden
Band-Nr.TitelAuflageJahr
XXXIIIWinnetou. 4. Band.1.—10. Tausend[1909]

Bemaßungen der Bezugsmaterialien

Kalbleder-Vorderdeckel1
Kalbleder-Vorderdeckel3
Kalbleder Innenecken

Seltsamerweise hören die Abweichungen bei den Vorsätzen nicht auf. Viel markanter, aber eben auch nur im direkten Vergleich zu anderen Bänden erkennbar, sind Unterschiede, welche am Ein­band zu beobachten sind. So sind bei den Einbanddecken die Bereiche, welche mit dem braunen Leder, und jene die mit dem hellem Deckelbezugsstoff – helles dünnes Leder oder eher ein Papier mit lederartiger Oberflächenstruktur – bezogen sind, un­ter­schied­lich groß. In der Breite zwischen dem auf die Buch­deckel geleimten Leder des Rückens und der gegenüberliegenden Kante des Einbandes ergibt sich an der jeweils breitesten Stelle eine Abweichung von 7,6 cm bis 8,4 cm, was dadurch bedingt ist, dass bei einigen Exemplaren der Rücken weiter auf die Buch­deckel gezogen ist als bei anderen.

Noch extremer und daher auffälliger variiert die Größe der Le­derecken der Buchdeckel. Je größer diese sind, desto weniger Platz verbleibt für das helle Deckelbezugsmaterial. An den un­te­ren und oberen Kanten der Buchdeckel ergeben sich so deut­lich unterschiedliche Maße für die hellen Bereiche zwischen Le­der­rücken und -ecken: 3 cm, 3,8 cm und 4,6 cm bilden die drei un­ter­schiedlichen Werte der drei festgestellten „Typen“. Dasselbe gilt für die Strecken zwischen den Lederecken an den äußeren Längskanten des Einbandes: 8,7 cm, 9 cm und 9,8 cm. Dabei wei­sen die meisten der für eine eigene Autopsie vorgelegen ha­ben­den Exemplare das mittlere Maß auf, wenige das geringste und nur drei das längste.

Auffällig ist schließlich, dass innen – also auf der Innenseite der Buchdeckel – bei den meisten Vergleichsbänden das Material der Lederecken in einem rechten Winkel zum Vor­satz­papier und der Einbandkante stehen, was offenbar ursprünglich Standard für die­sen Ein­band­typ war. Bei den untersuchten Bänden mit den großflächigsten Lederecken findet sich hingegen innen zwischen braunem Leder und hellem Bezugsstoff abweichend davon ein Winkel von 45°. In diesen Bänden mit letztgenanntem Merk­ma­l finden sich durchgängig Vorsatzmuster, die von der „Norm“ des Eichenlaubpapiers abweichen.

Fazit

Was sagen uns nun diese Befunde? In der Summe lassen sie einerseits den Schluss zu, dass die Kalbleder-Bände zumindest teilweise in kleinsten Bindequoten jeweils von Hand ge­fer­tigt wurden und die Buchbinder bei der Fertigung der Einbanddecken und Verwendung der Vorsatzpapiere von den vorausgegangenen Tranchen der Bindung in Kalbleder individuell abwichen. Die Kombination der von der Mehrzahl der bekannten Exemplare abweichenden Vor­satz­pa­pie­re mit ebenfalls variierenden Einbanddecken bei einigen Exemplaren lässt ver­mu­ten, dass diese vergleichsweise später hergestellt wurden, als das Gros der in der Kalb­le­der­aus­stattung bekannten Bände. Dies ist auch an Erscheinungsjahren sowie den etwas späteren Auflagen der entsprechenden Be­leg­stü­cke mit diesen Merkmalen abzulesen.

Der Einschnitt hinsichtlich der Abkehr von der standardmäßigen Verwendung des Ei­chen­laub-Motivs als Vorsatzmuster müsste nach Auswertung der vorstehenden Aufstellungen zwischen 1904 und 1906 zu datieren sein. Jedenfalls haben alle eindeutig nach 1904 zu datierenden bislang bekannten Exemplare abweichende Vorsätze. Bei den Titeln, welche neben anderen Designs auch mit dem Eichenlaub-Vorsatzpapier nachweisbar sind, sind die Exemplare mit abweichenden Vorsätzen zumeist – bis auf zwei Ausnahmen – aus späteren Auflagen als jene mit Eichenlaub, selbst wenn sie vor 1904 datieren. Hier ist anzunehmen, dass nach Aufbrauchen der jeweils schon ursprünglich kleinen Vorräte unter Verwendung noch vorhandener Rohblocks oder Broschuren zeitlich schon etwas zurückliegender Auf­la­gen ab 1904–06 Kalblederbände in geringer Stückzahl bei Eingang entsprechender Be­stel­lun­gen nachproduziert wurden, als das zuvor verwendete Vorsatzpapier nicht mehr lieferbar oder lediglich in der Buchbinderei Schwabe aufgebraucht war.

Angesichts der teilweisen Verwendung des gleichen Vorsatzpapiers, welches für eine sehr späte Aufbindung der Himmelsgedanken einige Jahre nach Mays Tod benutzt wurde [Blau/Hermesmeier 2024b; S. 31, Abb. 22], für die Kalbleder-Variante mit besonders großen Le­der­ecken ließe sich vielleicht sogar spekulieren, dass diese Ex­em­plare erst nach Mays Tod – möglicherweise auf individuelle Bestellung hin – beim Karl-May-Verlag entstanden, als diese Ausstattung schon nicht mehr standardmäßig im Angebot war, wes­halb nicht nur das übliche Vorsatzpapier nicht mehr vorrätig gehalten wurde, sondern auch die früher einmal genormten Maße für die Einbanddecken bei den Mitarbeitern der Buchbinderei nicht mehr verinnerlicht waren. Dies wäre zugegebenermaßen ein bislang nicht weiter belegbares Ge­dankenspiel.

Konkrete weitere Indizien wie passende Datumseinträge finden sich in den wenigen vor­lie­gen­den Exemplaren leider nicht. Es bleibt abzuwarten, ob sich hier noch plausible Er­klä­run­gen finden lassen, falls man durch späteres Wissen über mehr Exemplare in Kalbleder-Aus­stat­tung, als für diese Arbeit zur Verfügung standen, eine breitere Erkenntnisbasis gewinnt. In diesem Sinne kann nur jeder Leser eingeladen werden, Informationen über weitere Ex­em­plare und deren Eigenheiten, mit dem Verfasser dieses Beitrags (ccblau@t-online.de) oder dem Host dieser trefflichen Internetseite (hermesmeier@karl-may-bibliografie.de) zu tei­len.

Für freundliche Hilfsbereitschaft und Unterstützung ist Ruprecht Gammler, Hans Grunert, Wolfgang Hermesmeier, Edmund-Kara Jendrewski, Stefan Schmatz, Dieter Westermilies und Dr. Johannes Zeilinger sowie dem Karl-May-Museum zu danken, ohne die dieser Text in der vor­lie­gen­den Form nicht hätte verfasst werden können.

Christoph Blau
Berlin, 8. Oktober 2024
zuletzt aktualisiert: 28. Oktober 2024


Literaturverzeichnis

Bassenge 2007 Bassenge Kunst- und Buchauktionen: Literatur und Buchillustrationen des 17.–19. Jahrhunderts · Kinderbücher · Philosophie · Autographen (= Auktion 90). Berlin-Gru­newald, Galerie Bassenge, 2007.

‹ISSN 0941-7842›

Blau 1994 Christoph Blau: Eine unbekannte Einbandgestaltung der Fehsenfeld-Ausgabe · Zum farbigen Titelbild der M-KMG Nr. 99. In: Mitteilungen der Karl-May-Gesellschaft | 26. Jahr­gang | Nummer 100. Hamburg, Karl-May-Gesellschaft, Juni 1994; Seiten 49–54. Digitalisat der Karl-May-Gesellschaft (PDF)

‹ISSN 0941-7842›

Blau/Hermesmeier 2024a Christoph Blau/Wolfgang Hermesmeier: Der Band muß ein hochfeines Aussehen ha­ben. Zur buchgestalterischen Ausstattung der Erstausgabe von Karl Mays Him­­mels­gedanken (Teil 1). In: Mitteilungen der Karl-May-Gesellschaft 2. Quartal | 56. Jahr­gang | Nummer 220. Radebeul, Karl-May-Gesellschaft, Juni 2024; Seiten 46–58.

‹ISSN 0941-7842›

Blau/Hermesmeier 2024b Christoph Blau/Wolfgang Hermesmeier: Der Band muß ein hochfeines Aussehen ha­ben. Zur buchgestalterischen Ausstattung der Erstausgabe von Karl Mays Him­­mels­gedanken (Teil 2). In: Mitteilungen der Karl-May-Gesellschaft 3. Quartal | 56. Jahr­gang | Nummer 221. Radebeul, Karl-May-Gesellschaft, September 2024; Seiten 26–35.

‹ISSN 0941-7842›

Gammler 2010 Ruprecht Gammler: Anmerkungen zu den verschiedenen Ausgaben von Karl Mays Himmelsgedanken. In: Mitteilungen der Karl-May-Gesellschaft 2. Quartal | 42. Jahr­gang | Nummer 164. Radebeul, Karl-May-Gesellschaft, Juni 2010; Seiten 48–50. Digitalisat der Karl-May-Gesellschaft (PDF)

‹ISBN 978-3-7802-0092-1›

Guenther 1934 Konrad Guenther: Karl May und sein Verleger · Dem Andenken Friedrich Ernst Feh­sen­felds gewidmet · Überreicht vom Verfasser (Radebeul bei Dresden 1934). In: Karl May: Briefwechsel mit Friedrich Ernst Fehsenfeld · Zweiter Band · 1907–1912 · Mit Briefen von und an Felix Krais u. a. · Herausgegeben von Dieter Sudhoff und Hans-Dieter Steinmetz (= Karl May’s Gesammelte Werke und Briefe Band 92). Bamberg—Radebeul, Karl-May-Verlag, (2008); S. 417–443.

‹ISSN 0941-7842›

Hermesmeier 2021 Wolfgang Hermesmeier: Katalog zur Auktion anlässlich des 26. Kongresses der KMG · In: KMG-Nachrichten · Das Vierteljahresmagazin der Karl-May-Gesellschaft · Nr. 209. Radebeul, Karl-May-Gesellschaft, 3. Quartal/September 2021; S. [1–16].
(= Beilage zu den) Mitteilungen der Karl-May-Gesellschaft 3. Quartal | 53. Jahr­gang | Nummer 209. Radebeul, Karl-May-Gesellschaft, September 2021.

‹ISSN 0941-7842›

Hermesmeier 2023 Wolfgang Hermesmeier: Katalog zur Auktion anlässlich des 27. Kongresses der KMG · In: KMG-Nachrichten · Das Vierteljahresmagazin der Karl-May-Gesellschaft · Nr. 217. Radebeul, Karl-May-Gesellschaft, 3. Quartal/September 2023; S. [1–24].
(= Beilage zu den) Mitteilungen der Karl-May-Gesellschaft 3. Quartal | 55. Jahr­gang | Nummer 217. Radebeul, Karl-May-Gesellschaft, September 2023.

‹ISSN 1434-0356›

Hermesmeier/Schmatz 2004 Wolfgang Hermesmeier/Stefan Schmatz: Im Dschungel der Einbandvarianten · Karl-May-Ausgaben bei Friedrich Ernst Fehsenfeld 1892–1913. In: KARL MAY & Co. 3|04 · Das Karl-May-Magazin Nr. 97. Borod, Mescalero e. V., August 2004; Seiten 42–45.

‹ISSN 0941-7842›

Jendrewski 2015 Edmund-Kara Jendrewski: Bisher unbekannte May-Ausgabe entdeckt · Muss die May-Bibliografie nun neu geschrieben werden? In: Mitteilungen der Karl-May-Ge­sell­schaft 2. Quartal | 47. Jahr­gang | Nummer 184. Radebeul, Karl-May-Gesellschaft, Juni 2015; Seiten 48–51. Digitalisat der Karl-May-Gesellschaft (PDF)

‹ISBN 978-3-7450-9401-5›

Jendrewski 2018 Edmund-Kara Jendrewski: Illustrierte Bibliografie der Werke von Karl May, die im Verlag von Friedrich Ernst Fehsenfeld, Freiburg i[m] Breisgau, verlegt worden sind. 1892 bis 1912. Berlin, epubli, (2018).

Karl-May-Verlag 1981 Karl May 1842–1912 [Prospekt zur] … Reprint-Edition der Freiburger Erstausgaben. Bamberg, Karl-May-Verlag, ohne Jahr [1981].

‹ISSN 0941-7842›

Roxin 1983 Claus Roxin: Fehsenfelds Wiederkehr (I). In: Mitteilungen der Karl-May-Gesellschaft | 14. Jahr­gang | Nummer 55. Radebeul, Karl-May-Gesellschaft, März 1983; Seiten 35–36. Digitalisat der Karl-May-Gesellschaft (PDF)

‹ISSN 1434-0356›

Schmatz 2022 Stefan Schmatz: Radebeuler Tapetenmuseum · Die Vorsätze der „Gesammelten Wer­ke“ · Teil 1: Der Erste Weltkrieg. In: KARL MAY & Co. 2|22 · Das Karl-May-Magazin Nr. 168. Borod, Mescalero e. V., Mai 2022; Seiten 26–31.
Ergänzend:
Stefan Schmatz: Radebeuler Tapetenmuseum · Ergänzungen und Korrekturen zu Teil 1. In: KARL MAY & Co. 3|22 · Das Karl-May-Magazin Nr. 169. Borod, Mescalero e. V., September 2022; Seiten 84–85.

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