Karl May in Kalbleder
Einige Details zu einer seltenen Einbandvariante der Fehsenfeld-Ausgabe
Zur Seltenheit

Die Kalbleder-Ausgabe der Fehsenfeld-Edition Karl May’s gesammelte Reiseerzählungen gehört nach eigener Einschätzung nach über vier Jahrzehnten aktiven Sammelns alter Karl-May-Ausgaben zu den großen antiquarischen Raritäten, weil sie offenbar in nur sehr geringer Stückzahl hergestellt wurde. So auch ein undatierter Prospekt des KMV für „Karl May. Gesammelte Reiseerzählungen. Exklusive Reprint-Edition der Freiburger Erstausgaben.“: „Diese in Sammlerkreisen wegen ihrer großen Seltenheit und ihrer geschmackvollen Gestaltung besonders begehrte Ausführung in braunem Halbleder gilt seit Jahrzehnten als unerreichbare Rarität […].“ [Karl-May-Verlag 1981; S. (3)]. Auch ansonsten gut sortierte May-Sammlungen enthalten heute selten mehr als ein(ige) Belegstück(e) dieser attraktiven Bände. Wie an anderer Stelle schon vor Jahren mitgeteilt wurde, ist diese vielleicht „schönste“ [Karl-May-Verlag 1981; S. (2)] Ausstattung vom Verleger Fehsenfeld auch nicht durchgehend beworben worden. [Blau 1994; S. 49; vgl. auch Werbematerialien des Verlags, abgedruckt bei Jendrewski 2018; S. 104–114]. Dies, der damals hohe Ladenpreis von 5,— Mark und die edle Schlichtheit der Gestaltung – für 4,50 Mark konnte seinerzeit die dunkle Halbfranzausgabe mit dem Zeitgeschmack womöglich eher entsprechender deutlich üppigerer Rückenvergoldung und marmorierten Deckeln erworben werden – mögen dazu beigetragen haben, dass die Verbreitung gering blieb.
Zur Entstehungszeit der Kalbleder-Varietät
Immerhin wissen wir durch ein Auktionsangebot mit Abbildung der offerierten Bücher, dass es tatsächlich die ganze 33-bändige Fehsenfeldreihe in dieser Ausstattung gegeben hat: 2007 wurden 32 Bände der Kalbleder-Ausgabe, die offenbar aus dem Nachlass/Umfeld von Mays Edelfan Max Welte (1877–1934) stammten, versteigert [Bassenge 2007; S. 67–69]; es fehlte lediglich „Durch das Land der Skipetaren“, wovon dem Verfasser aber zwei Exemplare unterschiedlicher Auflagen vorliegen. Durch dieses Auktionsangebot wurde auch der früheren Annahme, dass es die Fehsenfeld-Bände in dieser Ausstattung nicht von Beginn an, sondern vielleicht erst um die Jahrhundertwende herum gegeben hätte [Blau 1994; S. 49 und 54, FN 11 unter Hinweis auf eine Formulierung von Roland Schmid], der Boden entzogen. Denn in der angebotenen Reihe fanden sich auch Exemplare aus dem Anfangsjahr 1892 [Bassenge 2007; S. 67].

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Insoweit bleibt angesichts der fehlenden Erwähnung in der frühen Verlagswerbung zwar weiter eine gewisse Skepsis erlaubt, weil natürlich auch im Einzelfall ein alter Rohbuchblock später aufgebunden worden sein kann. Allerdings deutet ein Widmungsblatt des Verlags aus einem auf 1894 datierten Kalbleder-Exemplar, mit dem es einer bischöflichen Bibliothek „ehrfurchtsvoll zugeeignet“ wurde (Abb.) [Jendrewski 2015; S. 49], doch auf eine relativ frühe Verwendung hin. Denn solche Verlegergeschenke, von denen man sich wiederum für die Buchwerbung zitierfähige positive Rückmeldungen versprach, erscheinen werbetechnisch eigentlich nur in zeitlicher Nähe zur Markteinführung eines Buches bzw. einer Serie sinnvoll. Vom Verleger Fehsenfeld ist hierzu als Erinnerung überliefert:
Ganz besonders aber stieg der Absatz, als Erzieherkreise, namentlich aus der katholischen Geistlichkeit, Karl Mays Werke empfahlen. Ich hatte hervorragenden Persönlichkeiten aus diesen Kreisen besonders prächtig eingebundene Bände überreicht.
Fehsenfeld gemäß [Guenther 1934]
Entgegen früherer Mutmaßungen [Blau 1994; S. 53] wird man angesichts des in einem Kalblederband nachgewiesenen Widmungsblattes wohl davon ausgehen können, dass Fehsenfeld eben diese „besonders exquisite Ausgabe“ [Hermesmeier/Schmatz 2004; S. 44] für die beschriebenen Werbezwecke nutzte.
Die Kalbleder-Edition als Reprint-Vorlage
Die Kenntnis von dem Umstand, dass es sich (auch) bei der Buchausstattung der Kalblederbände nicht um ein lediglich für die Mayausgabe verwendetes, exklusives Design handelte, verdanken wir Ruprecht Gammler [2010; S. 49f.].

Etwas inflationäre Verwendung fanden schließlich die meisten Gestaltungsmerkmale der Fehsenfeld-Ausstattung in Kalbleder später durch die Standardversion in Skivertex (Kunsthalbleder ab 1982) der KMV-Reprintausgabe der „Freiburger Erstausgaben“, deren Äußeres bei verschiedenen Abweichungen im Detail an die seltenen Originale angelehnt war; auch die – nach Ausverkauf der auf 400 Serien limitierten „Halbfranz“-Variante der „Freiburger Erstausgaben“ in dunklem Leder produzierte – (zweite) Vorzugsausgabe (ab 1985) hatte die Kalbleder-Ausstattung zum Vorbild (siehe Abb.). Die Werbung des KMV, die Reprintbände würden dem Original „bis in kleinste Einzelheiten“ gleichen [Karl-May-Verlag 1981; S. (4)], ist in diesem Punkt von der Wahrheit allerdings so weit entfernt, wie es zu Werbezwecken eben üblich ist.
Dasselbe muss man leider auch von der wahrscheinlich wichtigsten damaligen Besprechung des KMV-Fehsenfeld-Reprints sagen, wonach die Bücher „für das Auge vom Original kaum zu unterscheiden“ wären [Roxin 1983; S. 35]. Auf Grund der nachfolgend wiedergegebenen Abbildungen von „echten“ Kalblederbänden kann unschwer diese allzu wohlwollende Einschätzung hinterfragt werden. Durch den KMV-Reprint und vorab das zugehörige Werbematerial (vgl. die Abbildungen im ersten Abschnitt) dürfte jedoch vielen Interessierten überhaupt erstmals ein visueller Eindruck von dieser Ausstattung gegeben worden sein. Denn eine zeitlich vor dem Werbematerial des KMV zur Reprintedition der „Freiburger Erstausgaben“ zu datierende bildliche Dokumentation dieser seltenen Buchausstattung in der Karl-May-Sekundärliteratur ist jedenfalls dem Verfasser nicht bekannt.
Zur Größe der Stichprobe
Angesichts der relativen Seltenheit der Bände ist es nicht einfach, einen Vergleich einzelner Stücke untereinander vorzunehmen, der einigermaßen den Anspruch der Repräsentativität erfüllen kann. In Vorbereitung dieses Textes lagen lediglich elf Exemplare physisch vor, von weiteren Stücken konnten Bilder und Beschreibungen von den glücklichen Besitzern erlangt werden. Ergänzend fanden sich Bilder über die Jahre bei Angeboten einzelner Kalbleder-Bände im Internet. Hinsichtlich des größten bekannten Konvoluts von 32 Bänden ergaben sich aus dem Auktionskatalog von 2007 [Bassenge 2007; S. 67f.] die Auflagen der einzelnen Bände sowie ein Bild der Buchrücken der gesamten Reihe. Hier konnten im Rahmen der Recherche für diesen Artikel mündliche Auskünfte und auch zwei Fotos als Quellen erlangt werden. Ein erstes Bild, ausgehend von knapp 70 Exemplaren, rundet sich damit immerhin.
Vergleich der Einbandfärbung
Zunächst, wenig überraschend, ergab sich eine gewisse farbliche Bandbreite bei dem hauptsächlichen Einbandmaterial: Der Farbton bzw. Helligkeit/Dunkelheit des braunen Kalbleders als Naturstoff unterscheidet sich teilweise nicht unerheblich von Band zu Band. Dies ist auch bereits auf der Abbildung der oben erwähnten 2007 versteigerten 32-bändigen Reihe zu erkennen [Bassenge 2007; S. 68f.]. Bei den für diese Arbeit in Augenschein genommenen Exemplaren ist der Variantenreichtum dabei noch etwas deutlicher erkennbar. Zwar ist insofern zu berücksichtigen, dass das Erscheinungsbild des Leders auch abhängig ist von äußeren Bedingungen. Durch ständigen Lichteinfall bedingtes Ausbleichen, aber auch durch häufige Nutzung oder unsachgemäße Lagerung bedingte Patina sind Umstände, die hier zu berücksichtigen sind. Entsprechende Farb- oder Helligkeitsvarianten sind daher für einen Vergleich letztlich nur eingeschränkt ergiebig, sollen gleichwohl einmal exemplarisch dokumentiert werden:

Immerhin können beide Reprintausstattungen für sich in Anspruch nehmen, in der Rückenfärbung den Originalen nahe gekommen zu sein. Die Skivertexversion (links außen) und die zweite Halblederausgabe (rechts außen) rahmen einige Originalexemplare ein, die das Farbspektrum beispielhaft wiedergeben. Freilich findet sich bei den glatten Fehsenfeldern weder die grobe Narbung des Kunstlederreprints noch die feinere des Halbleder-Faksimiles. In den Rückenschildern ist die Nachbildung der scharfen und gleichzeitig dünnen Linienführung der Fehsenfeld-Typografie nicht wiederzufinden.
Vergleich der Vorsatzmuster
Auffällig ist, dass nicht alle zeitgenössischen Bände dasselbe Vorsatzmuster aufweisen. Denn im Grundsatz verwendete die von Fehsenfeld beauftragte Buchbinderei – C[arl] H[ermann] Schwabe aus Stuttgart [Schmatz 2022; S. 26/28] – für die verschiedenen Ausstattungsvarianten der Karl-May-Reihe die Vorsätze exklusiv, so insbesondere ein hellgrünes Muster für die grünen Leinenbände, ein goldenes Jugendstilmuster für die Schneider-Bände, Marmorpapier für die Halbfranzbände, ein gold-weißes Papier für die Himmelsgedanken usw. [Schmatz 2022; S. 26/28]. Nur in relativ seltenen Ausnahmefällen wurden offenbar versehentlich Vorsatzpapiere „falsch“ verarbeitet, findet sich einmal ein grünes Vorsatz in einem Schneider-Exemplar oder den Himmelsgedanken [Blau/Hermesmeier 2024a; S. 58], ein anderes Mal ein goldenes „Schneider-Papier“ in einem gewöhnlichen grünen Band.
Auf der Grundlage der – relativ wenigen – ausgewerteten Exemplare der Kalbleder-Reihe sei die Behauptung gewagt, dass die Streuung unterschiedlicher Vorsätze hier etwas breiter gewesen zu sein scheint. Die elf Bände, die für diese Arbeit selbst in Augenschein genommen werden konnten, ergänzen sich um weitere fast 60 Bücher, für die freundlicherweise Informationen und teilweise Bildmaterial zur Verfügung gestellt wurden. Die Bandnummern verteilen sich dabei auf die ganze Reihe von Band GR I bis GR XXXIII; mehrere Titel waren doppelt oder mehrfach vorhanden. So kann für mehr als 60 Exemplare in Kalbleder die Verwendung gleicher bzw. voneinander abweichender Vorsatzpapiere dokumentiert werden. Hinzu kommen – wie erwähnt – Erkenntnisse aus wenigen Online-Verkaufsangeboten mit beigefügten Bildern bzw. aus der Titelaufnahme einzelner Stücke für die KMG-Auktionen der letzten Jahre [Hermesmeier 2021; Lose 72, 81 / Hermesmeier 2023; Los 42].
Dabei sei vorausgeschickt – um argwöhnischen Vermutungen, bei ‚von der Norm abweichenden‘ Vorsätzen handele es sich womöglich teilweise um private Bindearbeiten unter Verwendung von Broschuren/Lieferungsheften und einzeln gekaufter Originaleinbanddecken, entgegenzuwirken –, dass es sich bei sämtlichen angesprochenen Bänden um Verlagsbindungen handelt. Alle Exemplare weisen ebenfalls eine für die Fehsenfeld-Bände typische Drahtheftung statt einer Fadenheftung, den hellen Leinenstreifen als verstärkten Innenfalz, die rote Schnittfärbung, gleiche Kapitalbänder und jeweils ein grünes Lesebändchen/-zeichen auf.

Alle fünf (!) unterschiedlichen bekannten verwendeten Vorsatzpapiere haben zunächst folgende Gemeinsamkeiten: sie sind goldgrundiert, haben ein feines Karomuster im Hinter- und ein florales Muster im Vordergrund. Was die Verteilungshäufigkeit der verschiedenen Papiere angeht, ergibt die vorgenommene Stichprobe folgendes Bild:
Motiv 1 (Standard; Eichenlaubmuster)
Mit Abstand am häufigsten findet sich das aus den KMV-Reprintbänden hinlänglich bekannte Eichenlaubmuster [Schmatz 2022; S. 26, Abb. 1c | Gammler 2010; S. 50, Abb. 5]. Dieses scheint bei der Buchbinderei Schwabe grundsätzlich für die Kalbleder-Variante vorgesehen gewesen zu sein. Es wurde für fast 90 Prozent der herangezogenen Bände verwendet.
Vergleich des Originals (links) mit dem Reprint (rechts). Das Muster ist gut getroffen, steht beim Reprint aber auf dem Kopf. Das Papier ist gelb- statt goldgrundiert und es fehlt der Leinenstreifen im Falz.
Dieses Vorsatzpapier ist – ohne jeglichen Anspruch auf Vollständigkeit – jedenfalls nachweisbar für folgende Titel. Soweit hier – im Zusammenhang mit der Beschreibung im Auktionskatalog von Bassenge – lediglich mündliche Mitteilungen vorlagen, ist dies in der Aufstellung daran kenntlich gemacht, dass der entsprechende Eintrag grau gekennzeichnet ist:
Band-Nr. | Titel | Auflagen | Jahr |
---|---|---|---|
I | Durch die Wüste [sic] Durch die Wüste. | Dritte Auflage. 31.—35.Tausend | 1894 [1898] |
II | Durchs Wilde Kurdistan | [Erstausgabe] 26.—30.Tausend 36.—40.Tausend | [1892] [1898] [1900] |
III | Von Bagdad nach Stambul | [Erstausgabe] 21. bis 25.Tausend. 31.—35.Tausend | [1892] [1898] [1900] |
IV | In den Schluchten des Balkan In den Schluchten des Balkan. | [Erstausgabe] (2×) 31.—35. Tausend (2×) | [1892] [1901] |
V | Durch das Land der Skipetaren Durch das Land der Skipetaren. | [Erstausgabe] (2×) 26.—30. Tausend | [1892] [1900] |
VI | Der Schut. Der Schut | [Erstausgabe] (2×) 26.—30. Tausend | [1892] [1899] |
VII | Winnetou der Rote Gentleman. 1. Band. | [Erstausgabe] (2×) | [1893] |
VIII | Winnetou der Rote Gentleman. 2. Band. | [Erstausgabe] (2×) | [1893] |
IX | Winnetou der Rote Gentleman. 3. Band. | [Erstausgabe] (2×) | [1893] |
X | Orangen und Datteln. | [Erstausgabe] 21.—25. Tausend [Titelei vakant] | 1894 [1899] |
XI | Am Stillen Ocean. | [Erstausgabe] | 1894 |
XII | Am Rio de la Plata. | [Erstausgabe] (2×) 21.—25. Tausend. | 1894 [1899] |
XIII | In den Cordilleren. | [Erstausgabe] (2×) 16. bis 20. Tausend. (2×) | 1894 [1898] |
XIV | Old Surehand. 1. Band. | 16. bis 20. Tausend. | [1898] |
XV | Old Surehand. 2. Band. | 16. bis 20. Tausend. (2×) | [1898] |
XVI | Im Lande des Mahdi · I. Band | 1. Auflage · 1. bis 5. Tausend 11. bis 15. Tausend. | 1896 [1896] |
XVII | Im Lande des Mahdi · II. Band | 1. Auflage · 1. bis 5. Tausend (2×) | 1896 |
XVIII | Im Lande des Mahdi · III. Band | 1. Auflage · 1. bis 5. Tausend (2×) 16. bis 20. Tausend. | 1896 [1898] |
XIX | Old Surehand. 3. Band. | 1. bis 15. Tausend. | [1896] |
XX | Satan und Ischariot · I. Band | 11.—15. Tausend. 16.—20. Tausend. (3×) | 1897 [1898] |
XXI | Satan und Ischariot · II. Band | 11.—15. Tausend | 1897 |
XXII | Satan und Ischariot · III. Band | 11.—15. Tausend | 1897 |
XXIII | Auf fremden Pfaden | 1.—10. Tausend (2×) 21.—25. Tausend | 1897 [1900] |
XXIV | „Weihnacht!“ | 1.—15. Tausend 21.—25. Tausend | 1897 [1900] |
XXV | Am Jenseits | 1.—15. Tausend (4×) | 1899 |
XXVI | Im Reiche des silbernen Löwen · 1. Band | 1.—15. Tausend | 1898 |
XXVII | Im Reiche des silbernen Löwen · 2. Band | 1.—15. Tausend | 1898 |
XXVIII | Im Reiche des silbernen Löwen · 3. Band. | 6.—10. Tausend (2×) 11.—15. Tausend | [1902] [1902] |
XXIX | Im Reiche des silbernen Löwen · 4. Band | 1.—5. Tausend | [1903] |
XXX | Und Friede auf Erden! | 6.—10. Tausend | [1904] |
Motiv 2 (Weinlaubmuster)
Immerhin dreimal, mithin in etwa knapp 5 Prozent der – zugegebenermaßen angesichts der geringen Anzahl von Vergleichsstücken nicht wirklich repräsentativen – Stichprobe, ließ sich jedoch ein Vorsatzpapier nachweisen, welches unlängst auch für eine offenbar spätere Bindequote der Himmelsgedanken beschrieben werden konnte [Blau/Hermesmeier 2024b; S. 31, Abb. 22].

Band-Nr. | Titel | Auflage | Jahr |
---|---|---|---|
IV | In den Schluchten des Balkan. | 41.—45. Tausend. | [1899] |
V | Durch das Land der Skipetaren. | 26.—30. Tausend | [1900] |
XI | Am Stillen Ocean | 26.—30. Tausend | [1900] |
Motiv 3 (Reiseerzählungen)
Eine motivgleiche goldgrundierte Variante (links) des weißgrundierten Papiers (rechts), welches für die grüne Leinen-Ausgabe verwendet wurde, findet sich ebenfalls in drei bekannten Exemplaren der Kalblederedition:
Band-Nr. | Titel | Auflage | Jahr |
---|---|---|---|
III | Von Bagdad nach Stambul | 26.—30. Tausend | [1899] |
XXXI | Ardistan und Dschinnistan · 1. Band | 1.—10. Tausend | [1909] |
XXXII | Ardistan und Dschinnistan · 2. Band | 1.—10. Tausend | [1909] |
Motiv 4 (Herzform)
Lediglich je einmal lassen sich zwei weitere Vorsatzabweichungen belegen. Die entsprechenden Exemplare sind jeweils mit einem im Maykosmos ansonsten bislang völlig unbekannten Vorsatzmuster versehen, welches stilistisch zu den anderen drei Varianten jedoch große Parallelen aufweist. Das erste der beiden Einzelmotive stellte Edmund-Kara Jendrewski freundlicherweise zur Verfügung:

Band-Nr. | Titel | Auflage | Jahr |
---|---|---|---|
XXII | Satan und Ischariot · III. Band | 26.—30. Tausend | [1906] |
Motiv 5 (Kelchblüten)
Der letzte Band der Reihe erhielt noch einmal ein anderes Vorsatzmuster. Das Foto hat dankenswerterweise Dieter Westermilies bereitgestellt:

Band-Nr. | Titel | Auflage | Jahr |
---|---|---|---|
XXXIII | Winnetou. 4. Band. | 1.—10. Tausend | [1909] |
Bemaßungen der Bezugsmaterialien
Seltsamerweise hören die Abweichungen bei den Vorsätzen nicht auf. Viel markanter, aber eben auch nur im direkten Vergleich zu anderen Bänden erkennbar, sind Unterschiede, welche am Einband zu beobachten sind. So sind bei den Einbanddecken die Bereiche, welche mit dem braunen Leder, und jene die mit dem hellem Deckelbezugsstoff – helles dünnes Leder oder eher ein Papier mit lederartiger Oberflächenstruktur – bezogen sind, unterschiedlich groß. In der Breite zwischen dem auf die Buchdeckel geleimten Leder des Rückens und der gegenüberliegenden Kante des Einbandes ergibt sich an der jeweils breitesten Stelle eine Abweichung von 7,6 cm bis 8,4 cm, was dadurch bedingt ist, dass bei einigen Exemplaren der Rücken weiter auf die Buchdeckel gezogen ist als bei anderen.
Noch extremer und daher auffälliger variiert die Größe der Lederecken der Buchdeckel. Je größer diese sind, desto weniger Platz verbleibt für das helle Deckelbezugsmaterial. An den unteren und oberen Kanten der Buchdeckel ergeben sich so deutlich unterschiedliche Maße für die hellen Bereiche zwischen Lederrücken und -ecken: 3 cm, 3,8 cm und 4,6 cm bilden die drei unterschiedlichen Werte der drei festgestellten „Typen“. Dasselbe gilt für die Strecken zwischen den Lederecken an den äußeren Längskanten des Einbandes: 8,7 cm, 9 cm und 9,8 cm. Dabei weisen die meisten der für eine eigene Autopsie vorgelegen habenden Exemplare das mittlere Maß auf, wenige das geringste und nur drei das längste.
Auffällig ist schließlich, dass innen – also auf der Innenseite der Buchdeckel – bei den meisten Vergleichsbänden das Material der Lederecken in einem rechten Winkel zum Vorsatzpapier und der Einbandkante stehen, was offenbar ursprünglich Standard für diesen Einbandtyp war. Bei den untersuchten Bänden mit den großflächigsten Lederecken findet sich hingegen innen zwischen braunem Leder und hellem Bezugsstoff abweichend davon ein Winkel von 45°. In diesen Bänden mit letztgenanntem Merkmal finden sich durchgängig Vorsatzmuster, die von der „Norm“ des Eichenlaubpapiers abweichen.
Fazit
Was sagen uns nun diese Befunde? In der Summe lassen sie einerseits den Schluss zu, dass die Kalbleder-Bände zumindest teilweise in kleinsten Bindequoten jeweils von Hand gefertigt wurden und die Buchbinder bei der Fertigung der Einbanddecken und Verwendung der Vorsatzpapiere von den vorausgegangenen Tranchen der Bindung in Kalbleder individuell abwichen. Die Kombination der von der Mehrzahl der bekannten Exemplare abweichenden Vorsatzpapiere mit ebenfalls variierenden Einbanddecken bei einigen Exemplaren lässt vermuten, dass diese vergleichsweise später hergestellt wurden, als das Gros der in der Kalblederausstattung bekannten Bände. Dies ist auch an Erscheinungsjahren sowie den etwas späteren Auflagen der entsprechenden Belegstücke mit diesen Merkmalen abzulesen.
Der Einschnitt hinsichtlich der Abkehr von der standardmäßigen Verwendung des Eichenlaub-Motivs als Vorsatzmuster müsste nach Auswertung der vorstehenden Aufstellungen zwischen 1904 und 1906 zu datieren sein. Jedenfalls haben alle eindeutig nach 1904 zu datierenden bislang bekannten Exemplare abweichende Vorsätze. Bei den Titeln, welche neben anderen Designs auch mit dem Eichenlaub-Vorsatzpapier nachweisbar sind, sind die Exemplare mit abweichenden Vorsätzen zumeist – bis auf zwei Ausnahmen – aus späteren Auflagen als jene mit Eichenlaub, selbst wenn sie vor 1904 datieren. Hier ist anzunehmen, dass nach Aufbrauchen der jeweils schon ursprünglich kleinen Vorräte unter Verwendung noch vorhandener Rohblocks oder Broschuren zeitlich schon etwas zurückliegender Auflagen ab 1904–06 Kalblederbände in geringer Stückzahl bei Eingang entsprechender Bestellungen nachproduziert wurden, als das zuvor verwendete Vorsatzpapier nicht mehr lieferbar oder lediglich in der Buchbinderei Schwabe aufgebraucht war.
Angesichts der teilweisen Verwendung des gleichen Vorsatzpapiers, welches für eine sehr späte Aufbindung der Himmelsgedanken einige Jahre nach Mays Tod benutzt wurde [Blau/Hermesmeier 2024b; S. 31, Abb. 22], für die Kalbleder-Variante mit besonders großen Lederecken ließe sich vielleicht sogar spekulieren, dass diese Exemplare erst nach Mays Tod – möglicherweise auf individuelle Bestellung hin – beim Karl-May-Verlag entstanden, als diese Ausstattung schon nicht mehr standardmäßig im Angebot war, weshalb nicht nur das übliche Vorsatzpapier nicht mehr vorrätig gehalten wurde, sondern auch die früher einmal genormten Maße für die Einbanddecken bei den Mitarbeitern der Buchbinderei nicht mehr verinnerlicht waren. Dies wäre zugegebenermaßen ein bislang nicht weiter belegbares Gedankenspiel.
Konkrete weitere Indizien wie passende Datumseinträge finden sich in den wenigen vorliegenden Exemplaren leider nicht. Es bleibt abzuwarten, ob sich hier noch plausible Erklärungen finden lassen, falls man durch späteres Wissen über mehr Exemplare in Kalbleder-Ausstattung, als für diese Arbeit zur Verfügung standen, eine breitere Erkenntnisbasis gewinnt. In diesem Sinne kann nur jeder Leser eingeladen werden, Informationen über weitere Exemplare und deren Eigenheiten, mit dem Verfasser dieses Beitrags (ccblau@t-online.de) oder dem Host dieser trefflichen Internetseite (hermesmeier@karl-may-bibliografie.de) zu teilen.
Für freundliche Hilfsbereitschaft und Unterstützung ist Ruprecht Gammler, Hans Grunert, Wolfgang Hermesmeier, Edmund-Kara Jendrewski, Stefan Schmatz, Dieter Westermilies und Dr. Johannes Zeilinger sowie dem Karl-May-Museum zu danken, ohne die dieser Text in der vorliegenden Form nicht hätte verfasst werden können.
Christoph Blau
Berlin, 8. Oktober 2024
zuletzt aktualisiert: 28. Oktober 2024
Literaturverzeichnis
Bassenge 2007 Bassenge Kunst- und Buchauktionen: Literatur und Buchillustrationen des 17.–19. Jahrhunderts · Kinderbücher · Philosophie · Autographen (= Auktion 90). Berlin-Grunewald, Galerie Bassenge, 2007.
Blau 1994 Christoph Blau: Eine unbekannte Einbandgestaltung der Fehsenfeld-Ausgabe · Zum farbigen Titelbild der M-KMG Nr. 99. In: Mitteilungen der Karl-May-Gesellschaft | 26. Jahrgang | Nummer 100. Hamburg, Karl-May-Gesellschaft, Juni 1994; Seiten 49–54. Digitalisat der Karl-May-Gesellschaft (PDF)
Blau/Hermesmeier 2024a Christoph Blau/Wolfgang Hermesmeier: Der Band muß ein hochfeines Aussehen haben. Zur buchgestalterischen Ausstattung der Erstausgabe von Karl Mays Himmelsgedanken (Teil 1). In: Mitteilungen der Karl-May-Gesellschaft 2. Quartal | 56. Jahrgang | Nummer 220. Radebeul, Karl-May-Gesellschaft, Juni 2024; Seiten 46–58.
Blau/Hermesmeier 2024b Christoph Blau/Wolfgang Hermesmeier: Der Band muß ein hochfeines Aussehen haben. Zur buchgestalterischen Ausstattung der Erstausgabe von Karl Mays Himmelsgedanken (Teil 2). In: Mitteilungen der Karl-May-Gesellschaft 3. Quartal | 56. Jahrgang | Nummer 221. Radebeul, Karl-May-Gesellschaft, September 2024; Seiten 26–35.
Gammler 2010 Ruprecht Gammler: Anmerkungen zu den verschiedenen Ausgaben von Karl Mays Himmelsgedanken. In: Mitteilungen der Karl-May-Gesellschaft 2. Quartal | 42. Jahrgang | Nummer 164. Radebeul, Karl-May-Gesellschaft, Juni 2010; Seiten 48–50. Digitalisat der Karl-May-Gesellschaft (PDF)
Guenther 1934 Konrad Guenther: Karl May und sein Verleger · Dem Andenken Friedrich Ernst Fehsenfelds gewidmet · Überreicht vom Verfasser (Radebeul bei Dresden 1934). In: Karl May: Briefwechsel mit Friedrich Ernst Fehsenfeld · Zweiter Band · 1907–1912 · Mit Briefen von und an Felix Krais u. a. · Herausgegeben von Dieter Sudhoff und Hans-Dieter Steinmetz (= Karl May’s Gesammelte Werke und Briefe Band 92). Bamberg—Radebeul, Karl-May-Verlag, (2008); S. 417–443.
Hermesmeier 2021 Wolfgang Hermesmeier: Katalog zur Auktion anlässlich des 26. Kongresses der KMG · In: KMG-Nachrichten · Das Vierteljahresmagazin der Karl-May-Gesellschaft · Nr. 209. Radebeul, Karl-May-Gesellschaft, 3. Quartal/September 2021; S. [1–16].
(= Beilage zu den) Mitteilungen der Karl-May-Gesellschaft 3. Quartal | 53. Jahrgang | Nummer 209. Radebeul, Karl-May-Gesellschaft, September 2021.
Hermesmeier 2023 Wolfgang Hermesmeier: Katalog zur Auktion anlässlich des 27. Kongresses der KMG · In: KMG-Nachrichten · Das Vierteljahresmagazin der Karl-May-Gesellschaft · Nr. 217. Radebeul, Karl-May-Gesellschaft, 3. Quartal/September 2023; S. [1–24].
(= Beilage zu den) Mitteilungen der Karl-May-Gesellschaft 3. Quartal | 55. Jahrgang | Nummer 217. Radebeul, Karl-May-Gesellschaft, September 2023.
Hermesmeier/Schmatz 2004 Wolfgang Hermesmeier/Stefan Schmatz: Im Dschungel der Einbandvarianten · Karl-May-Ausgaben bei Friedrich Ernst Fehsenfeld 1892–1913. In: KARL MAY & Co. 3|04 · Das Karl-May-Magazin Nr. 97. Borod, Mescalero e. V., August 2004; Seiten 42–45.
Jendrewski 2015 Edmund-Kara Jendrewski: Bisher unbekannte May-Ausgabe entdeckt · Muss die May-Bibliografie nun neu geschrieben werden? In: Mitteilungen der Karl-May-Gesellschaft 2. Quartal | 47. Jahrgang | Nummer 184. Radebeul, Karl-May-Gesellschaft, Juni 2015; Seiten 48–51. Digitalisat der Karl-May-Gesellschaft (PDF)
Jendrewski 2018 Edmund-Kara Jendrewski: Illustrierte Bibliografie der Werke von Karl May, die im Verlag von Friedrich Ernst Fehsenfeld, Freiburg i[m] Breisgau, verlegt worden sind. 1892 bis 1912. Berlin, epubli, (2018).
Karl-May-Verlag 1981 Karl May 1842–1912 [Prospekt zur] … Reprint-Edition der Freiburger Erstausgaben. Bamberg, Karl-May-Verlag, ohne Jahr [1981].
Roxin 1983 Claus Roxin: Fehsenfelds Wiederkehr (I). In: Mitteilungen der Karl-May-Gesellschaft | 14. Jahrgang | Nummer 55. Radebeul, Karl-May-Gesellschaft, März 1983; Seiten 35–36. Digitalisat der Karl-May-Gesellschaft (PDF)
Schmatz 2022 Stefan Schmatz: Radebeuler Tapetenmuseum · Die Vorsätze der „Gesammelten Werke“ · Teil 1: Der Erste Weltkrieg. In: KARL MAY & Co. 2|22 · Das Karl-May-Magazin Nr. 168. Borod, Mescalero e. V., Mai 2022; Seiten 26–31.
Ergänzend:
Stefan Schmatz: Radebeuler Tapetenmuseum · Ergänzungen und Korrekturen zu Teil 1. In: KARL MAY & Co. 3|22 · Das Karl-May-Magazin Nr. 169. Borod, Mescalero e. V., September 2022; Seiten 84–85.