„Der Band muss ein hochfeines Aussehen haben.“
Bildersammlung zur buchgestalterischen Ausstattung der Erstausgabe von Karl Mays Himmelsgedanken.
In diesem Blogbeitrag sollen die Abbildungen zu unseren Ausführungen in den „Mitteilungen der Karl-May-Gesellschaft“ (Nr. 220/221) [Blau/Hermesmeier] der besseren Vergleichbarkeit wegen in höherer Auflösung zur Verfügung gestellt werden. Außerdem werden hier neue Erkenntnisse berücksichtigt und gegebenenfalls Korrekturen vorgenommen.
Muster und Vorlagen
Überblick über grundsätzlich drei Erscheinungsformen
Von Anfang an und bis über Karl Mays Tod hinaus waren die „Himmelsgedanken“ in drei verschiedenen Ausstattungsvarianten zu haben, wie den nachfolgend gezeigten Werbemitteln zu entnehmen ist: „broschiert“, „in Leinwand gebunden“ und „in Leder gebunden“.
Typ a) Broschur
Der Bildnachweis für eine echte Fehsenfeld-Broschur war uns im Mitteilungsbeitrag nicht gelungen. Stattdessen konnten wir aber zunächst ein seltenes Lagerexemplar zeigen, das zwar ebenfalls als Broschur ausgeführt ist, aber im völlig unbedruckten Umschlag wohl so kaum in den Verkauf ging. Die Abbildung stellte uns Bernhard Schmid (Karl-May-Verlag) zur Verfügung.
Inzwischen wurden uns von Tanja Trübenbach dankenswerterweise Fotos ihres broschierten Exemplars zur Verfügung gestellt, die montiert einen guten Eindruck vermitteln, sodass wir die bisherige auf einer unscharfen Farbkopie beruhende Darstellung ersetzen konnten.
Wie lange die Broschurausgabe im Angebot war, ist unsicher. Mit einer Ausnahme hat der Karl-May-Verlag sie nicht mehr beworben.
Typ b) Gebunden in Leinwand — nur Text
Um entsprechenden Kommentaren schon vorab entgegenzuwirken, weisen wir darauf hin, dass alle gezeigten Leinenvarianten am selben Tag bei denselben Lichtverhältnissen auf demselben Gerät gescannt wurden und dadurch die Vergleichbarkeit auch kleinerer Farbnuancen gegeben ist.
Wann genau ein konkretes Exemplar ausgegeben/verkauft/verschenkt wurde, lässt sich am ehesten an handschriftlichen Eintragungen ablesen. Das können z. B. Widmungen privater Natur oder auch von Karl May selbst sein. Selbst schlichte Datumseintragungen können hilfreiche Indizien sein. Das späteste Datum, das wir derzeit für den Typ b) kennen, wird durch diese Eintragung repräsentiert (wird bei Bekanntwerden neuer Belege ggf. aktualisiert):
Alle Leinenausgaben – auch die späteren – waren mit diesem Schutzumschlag gestaltet, der wesentliche Übereinstimmungen mit dem oben gezeigten Broschurumschlag zeigt. Allerdings waren die Schutzumschläge nur einfarbig bedruckt und verzichteten beim Hinterdeckel auf das zentrale Dekorelement und die Druckerzeile.
Keine Regel ist ohne Ausnahme. Und so sind beim Typ b) noch zwei Einzelstücke vorzustellen, die in kein Schema passen. Jens Pompe stellte und freundlicherweise diese Abbildung aus seinem Exemplar zur Verfügung, das sich durch deutlich abweichendes Vorsatzpapier auszeichnet:
Mit einem Schmankerl ganz eigener Art machte uns Joachim Biermann bekannt. Sein Exemplar vom Typ b) verwendet die Vorsätze der Standardedition der „gesammelten Reiseerzählungen“. Und anstelle des sonst üblichen dreiseitigen Goldschnitts verfügt es über eine Schnittmarmorierung, die ebenfalls für die „Reiseerzählungen“ kennzeichnend ist:
Typ c) Gebunden in Leinwand — ›Sternausgabe‹ normal
Nach dem Gestaltungswechsel erhielten die „Himmelsgedanken“ einen aufwändiger geprägten Vorderdeckel mit einem strahlenbekränzten Stern und einer zur Harfe ausgearbeiteten Titelversale „H“ wie weiter oben bereits abgebildet, die wir mangels greifbarer Alternativen im Vergleich zu später entstandenen Varianten schlicht als „normal“ bezeichnen wollen. Wann genau der Wechsel stattfand, ist noch nicht eruiert. In unserem Mitteilungsbeitrag dokumentierten wir den uns zu dem Zeitpunkt frühesten bekannten Beleg von Juni 1910:
Sowohl Hartmut Wörner als auch Nico Karpinski haben uns freundlicherweise jüngere Belege nachgereicht. Diese sind aber inzwischen obsolet, nachdem uns Hans Grunert mit einem sehr frühen Exemplar bekannt gemacht hat, das mit einer Widmung Karl Mays von Allerseelen [2. November] 1902 versehen ist:
Damit dürfte das Fenster geschlossen sein. Etwa gegen Ende 1902 scheint die Sternausgabe erstmals eingeführt worden zu sein. Karl May als jemand, der Widmungsexemplare geradezu verschwenderisch streute und deshalb regelmäßig bei seinem Verleger nachorderte, dürfte einer der ersten gewesen sein, der sie hatte. Dass der Buchhandel noch Anfang 1903 (wie oben abgebildet) oder auch noch Monate oder gar einige Jahre später noch über die schlichte Nur-Text-Version verfügte, ist völlig normal und keine Gegenanzeige. Mit der Herstellung einer neuen Bindequote sind ja nicht automatisch Altbestände restlos vom Buchmarkt gefegt.
Etwas befremdlich wirkt das eingeklebte Porträt der Witwe Plöhn. Zum Zeitpunkt der Widmung war Karl May noch nicht von Emma geschieden und schon gar nicht mit Klara verheiratet. Beides erfolgte erst im März 1903.
Typ d) Gebunden in Leinwand — ›Sternausgabe‹ Kupfer
Eine spätere Version der Sternausgabe zeichnet sich durch wieder etwas hellere Leinwand und durch eine Goldprägung mit höherem Kupferanteil aus, was uns zur Namensgebung verleitete. Der zweizeilige Textblock »von / Karl May« ist ein paar Milimeter nach oben rechts verschoben, wohingegen alle anderen Elemente der Deckelprägung ihre Position beibehielten. Man erkennt es recht gut im Direktvergleich der Typen c) und d), wenn man den Slider mit der Maus verschiebt:
Typ e) Gebunden in Leinwand — ›Sternausgabe‹ changierend
Die bisher beschriebenen Gewebeeinbände wiesen einfarbige Leinwand auf. Völlig anders verhält es sich mit diesem Exemplar:
Die abweichende Einbandtextur ist schon sehr auffällig. Hinzu kommen noch ein paar subtilere Varianten in der Rückenprägung:
Das einzige uns bekannte Exemplar dieses Einbandtyps ist zudem in einem Schuber mit aufgestempeltem Titel über die Zeit gekommen. Da uns Vergleichsstücke fehlen, können wir nicht mit allerletzter Sicherheit garantieren, dass er authentisch ist. Der Schuber zeigt allerdings keinerlei Hinweise auf eine private Fertigung:
Typ f) Gebunden in Leinwand — ›Sternausgabe‹ Fliegenkopf
Eine letzte in Leinwand ausgeführte Variante zeichnet sich durch eine lederähnlich genarbte Oberfläche aus, durch ein kopfstehendes Aldusblatt auf dem Rücken (in der Fachsprache von Druckern und Setzern ein sogenannter ›Fliegenkopf‹) und durch von der bisherigen Norm abweichende Vorsatzpapiere. Die folgenden Abbildungen bemühen sich um Darstellungen im Detail:
Typ f) verwendete das oben gezeigte Standardvorsatzpapier nicht mehr. Die Vorräte waren offenbar verbraucht. Man griff auf beliebige Reste zurück. Wir zeigen exemplarisch drei verschiedene Muster uns bekannter Belege:
Typen g), h) und i) Leder
Neben den Leinenausgaben, waren auch in Leder gebundene Vorzugsexemplare käuflich zu erwerben. Wir können drei verschiedene Varianten nachweisen, die teils überlappend gleiche Merkmale aufweisen, weshalb wir hier die Überschriften zusammengefasst haben. Hinter Typ g) verbirgt sich die Nur-Text-Variante, Typ h) repräsentiert die normale Sternausgabe, Typ i) ist eine Sparversion davon. Allen drei Versionen gemeinsam ist schwarzes Leder als Bezugsmaterial. Die nachfolgenden Abbildungen sind in den Bildunterschriften den drei Typen zugeordnet.
Gegenanzeigen
Nach Redaktionsschluss wurde uns noch eine Lederausgabe vorgestellt, die zeitlich nicht in das bisherige Schema passt. Es handelt sich dabei um eine Sternausgabe vom Typ h) mit einer Widmung Karl Mays von Weihnachen 1900. Hans Grunert, der uns freundlicherweise die Abbildungen aus dem Bestand des Karl-May-Museums zur Verfügung stellte, vertrat aufgrund dieses Exemplars die These, dass die Lederausgabe von Anfang an die Sternprägung aufwies, die man erst später auch für die Leinenedition übernahm. Dagegen spricht aber die Existenz einer Lederausgabe im Nur-Text-Gewand, die wir oben dokumentiert haben. Es lässt sich viel spekulieren: Hatte Karl May möglicherweise ein Musterexemplar verschenkt? Ist die Widmung irrtümlich oder vorsätzlich rückdatiert (etwa als persönlichen Gefallen für den von ihm finanziell unterstützen Johannes März, der es May verdankte, das Gymnasium und die Universität besuchen zu können). Gab es entgegen allen anderen oben aufgeführten Indizien beide Deckelprägungen doch gleichzeitig? Eine gültige Erklärung können wir derzeit nicht anbieten. Vorläufig können wir nun der Pflicht zur Dokumentation nachkommen:
Produktfälschungen
Ergänzend zu unserem Beitrag in den M-KMG wollen wir noch darauf hinweisen, dass es Ledereinbände aus neuerer Zeit (Anfang 2000er-Jahre) des Typs g) gibt, die teils für Originale gehalten werden, teils als solche verkauft wurden. Mindestens in letzterem Fall ist es statthaft, von Fälschungen zum Schaden der Sammler zu sprechen. Es wurden dabei zeitgenössische originale Buchblocks mit neu gefertigten Einbänden versehen, bei deren Herstellung Einbandpräger benutzt wurden, die für nie erschienene Reprints schon fertiggestellt waren. Allerdings fehlen bei diesen Nur-Text-Einbänden die Innenkantenvergoldung und der Leinenstreifen in der Innenfalz, wodurch diese Fälschungen auch für diejenigen als solche identifizierbar sind, die kein Auge für die zu gelbe Goldprägung haben.
In jüngster Zeit kamen auch Nachbauten der Sternausgabe in Leinwand auf den Markt. Wir kennen bisher vier Farben: oliv, rot, schwarz und violett. Wir wissen nicht, welche Blocks verwendet wurden. Zur Unterscheidung von den zeitgenössischen Originalausgaben fand auf den Rücken anstelle der Aldusblätter die Palme Verwendung, die der KMV jahrzehntelang als Logo/Signet eingesetzt hat:
Wer immer ergänzende Informationen und erhellendes Bildmaterial liefern kann, fühle sich herzlich eingeladen. Korrekturen und Ergänzungen können hier im Blog jederzeit vorgenommen werden.
Sehr zu danken haben wir zahlreichen Aktiven der Karl-May-Szene, die uns Bildmaterial für den Mitteilungsbeitrag zur Verfügung gestellt haben. In alphabetischer Reihenfolge sind das Ruprecht Gammler, Hans Grunert (Karl-May-Museum), Edmund K. Jendrewski, Gerhard Klußmeier, Helmut Moritz, Jens Pompe, Stefan Schmatz und Bernhard Schmid (Karl-May-Verlag). Für freundliche Auskünfte danken wir ferner Lucia Meidinger (Freie Universität Berlin, Universitätsbibliothek, Informationszentrum).
Für Ergänzungen, die hier in den Blog bereits eingeflossen sind, bedanken wir uns sehr herzlich bei Joachim Biermann, Hans Grunert, Nico Karpinski, Jens Pompe, Tanja Trübenbach und Hartmut Wörner.
Christoph Blau/Wolfgang Hermesmeier
Berlin, im Juli 2024
Zuletzt aktualisiert: 7. Oktober 2024
Literaturverzeichnis
Blau/Hermesmeier Christoph Blau/Wolfgang Hermesmeier: Der Band muß ein hochfeines Aussehen haben. Zur buchgestalterischen Ausstattung der Erstausgabe von Karl Mays Himmelsgedanken (Teil 1). In: Mitteilungen der Karl-May-Gesellschaft 2. Quartal | 56. Jahrgang | Nummer 220. Radebeul, Karl-May-Gesellschaft, Juni 2024; Seiten 46–58.
Blau/Hermesmeier Christoph Blau/Wolfgang Hermesmeier: Der Band muß ein hochfeines Aussehen haben. Zur buchgestalterischen Ausstattung der Erstausgabe von Karl Mays Himmelsgedanken (Teil 2). In: Mitteilungen der Karl-May-Gesellschaft 3. Quartal | 56. Jahrgang | Nummer 221. Radebeul, Karl-May-Gesellschaft, September 2024; Seiten 26–35.
Plaul Hainer Plaul: Illustrierte Karl May Bibliographie · Unter Mitwirkung von Gerhard Klußmeier. Leipzig, Edition Leipzig, (1988). resp. München—London—New York—Paris, K[laus] G[erhard] Saur, 1989.
Sehr interessanter Beitrag! Mein Exemplar, Typ b, besitzt eine Widmung von April 1907 „Zu Andenken an deinen Mann“. Falls gewünscht, würde ich davon ein Foto machen.
Vielen Dank für Hinweis und Angebot. Hätte ich auch gern Gebrauch von gemacht, wenn das nicht durch jüngst erworbene Erkenntnis obsolet wäre. Der Wechsel bei der Deckelgestaltung ist schon gegen Ende 1902 erfolgt. Die mir zugegangenen Belege werde ich spätestens im Laufe des morgigen Tages ergänzend in den Beitrag einfügen. Es gibt auch noch ein paar Kuriosa vorzuführen.