Wolfgang Hermesmeier

Notizen eines Bücherwurms aus der Karl-May-Welt

AllgemeinFeature

„Der Band muss ein hochfeines Aussehen haben.“

Bildersammlung zur buchgestalterischen Ausstattung der Erstausgabe von Karl Mays Himmelsgedanken.

In diesem Blogbeitrag sollen die Abbildungen zu unseren Ausführungen in den „Mit­tei­lun­gen der Karl-May-Gesellschaft“ (Nr. 220/221) [Blau/Hermesmeier] der besseren Ver­gleich­­barkeit wegen in höherer Auflösung zur Verfügung gestellt werden. Außerdem werden hier neue Erkenntnisse berücksichtigt und gegebenenfalls Korrekturen vorgenommen.

Muster und Vorlagen

Abb1 - Musterdecke
Blindband mit einem nicht realisierten Einbandmuster der „Himmelsgedanken“. Zwei Exem­pla­re sind bekannt. In einem davon finden wir heute das Reisetagebuch Karl Mays in einer Abschrift seiner zweiten Frau Klara.
Abb2-3 - Verworfen
›Zlatorog‹ von Rudolf Baumbach aus Karl Mays Bibliothek (links) zeigt das gleiche De­ckel­dekor wie die Saffianlederausgaben von Mays „gesammelten Reiseerzählungen“, hier bei­spiels­weise „»Weihnacht!«“ (rechts). Offenbar hatte Fehsenfeld eine sehr ähnliche Ausstattung auch für die „Himmelsgedanken“ in Erwägung gezogen.
Abb2-3 - Ebenfalls verworfen
Ein weiterer Vorschlag Fehsenfels für die äußere Gewandung der „Himmelsgedanken“: ›Nea­po­litanisches Volksleben‹ von Charles Grant. Heute noch in Karl Mays Bibliothek erhalten.

Überblick über grundsätzlich drei Erscheinungsformen

Von Anfang an und bis über Karl Mays Tod hinaus waren die „Himmelsgedanken“ in drei verschiedenen Ausstattungsvarianten zu haben, wie den nachfolgend gezeigten Werbe­mit­teln zu entnehmen ist: „broschiert“, „in Leinwand gebunden“ und „in Leder gebunden“.

Abb5 - Werbung im Börsenblatt.
Am 8. Dezember 1900 wurden die „Himmelsgedanken“ im ›Börsenblatt‹ vorangekündigt. Sie soll­ten vier Tage später erscheinen. Höchste Zeit für das Weihnachtsgeschäft.
Abb5b - Werbung auf Lesezeichen
Auch auf Lesezeichen warb Fehsenfeld für den Gedichtband.
Abb5b - Werbung im Bücherboten
Geworben wurde für alle drei Ausstattungsvarianten bis über Karl Mays Tod hinaus, hier in einem Fehsenfeld’schen Verlagskatalog mit dem Titel ›Bücher-Bote‹ (S. 12), erschienen „ver­­mut­lich nicht vor Juli“ 1912 (Plaul 589).

Typ a) Broschur

Der Bildnachweis für eine echte Fehsenfeld-Broschur war uns im Mitteilungsbeitrag nicht ge­lungen. Stattdessen konnten wir aber zunächst ein seltenes Lagerexemplar zeigen, das zwar ebenfalls als Broschur ausgeführt ist, aber im völlig unbedruckten Umschlag wohl so kaum in den Verkauf ging. Die Abbildung stellte uns Bernhard Schmid (Karl-May-Verlag) zur Verfügung.

Lager-Broschur
Titelei und Umschlag eines Lagerexemplars der „Himmelsgedanken“, das den Verlag nie ver­lassen hat.

Inzwischen wurden uns von Tanja Trübenbach dankenswerterweise Fotos ihres broschierten Exemplars zur Verfügung gestellt, die montiert einen guten Eindruck vermitteln, sodass wir die bisherige auf einer unscharfen Farbkopie beruhende Darstellung ersetzen konnten.

Broschur
Abbildung eines Broschurumschlags. Man beachte im Vergleich mit dem Schutzumschlag (weiter unten) vor allem die rot gedruckte doppelte Begrenzungslinie und den bedruckten Hinterdeckel.

Wie lange die Broschurausgabe im Angebot war, ist unsicher. Mit einer Ausnahme hat der Karl-May-Verlag sie nicht mehr beworben.

Schutzumschlag-Werbung EA GW34
Auf der Schutzumschlagklappe der Erstausgabe „»Ich«“ – und anscheinend nur hier – warb der KMV zusätzlich zur Leinenausgabe auch noch für eine geheftete Version des Gedicht­bandes.

Typ b) Gebunden in Leinwand — nur Text

Um entsprechenden Kommentaren schon vorab entgegenzuwirken, weisen wir darauf hin, dass alle gezeigten Leinenvarianten am selben Tag bei denselben Lichtverhältnissen auf dem­­sel­ben Gerät gescannt wurden und dadurch die Vergleichbarkeit auch kleinerer Farb­nuancen gegeben ist.

Leinenausgabe Typ b) und c)
Die beiden bekanntesten Ausstattungen betreffen zwei unterschiedlich gestaltete Leinwand-Edi­tio­nen, die unserer Meinung nach nicht zeitgleich, sondern aufeinanderfolgend ausgeliefert wurden, wobei der Zeitpunkt des Wechsels noch genauer einzugrenzen ist. Die Nur-Text-Va­ri­an­te links (Typ b) ist dabei die frühere, die später von der Stern-Variante rechts (Typ c) ab­ge­löst wurde. Man beachte ferner, dass die Leinwandfarbe rechts geringfügig heller ist als links.

Wann genau ein konkretes Exemplar ausgegeben/verkauft/verschenkt wurde, lässt sich am ehesten an handschriftlichen Eintragungen ablesen. Das können z. B. Widmungen privater Natur oder auch von Karl May selbst sein. Selbst schlichte Datumseintragungen können hilf­reiche Indizien sein. Das späteste Datum, das wir derzeit für den Typ b) kennen, wird durch diese Eintragung repräsentiert (wird bei Bekanntwerden neuer Belege ggf. aktua­li­­siert):

Bleistift-Eintragung
Datierungsbeleg vom 1. Februar 1903 für die schlichte Gestaltungsversion. Die Währungs­an­ga­be in Kronen weist auf einen Verkauf in Österreich-Ungarn hin.
Standardvorsatz
Muster des Vorsatzpapiers, das Fehsenfeld erstmals beim Typ b), aber konsequent auch für die weiteren Leinen- und Lederausgaben der „Himmelsgedanken“ verwendete.

Alle Leinenausgaben – auch die späteren – waren mit diesem Schutzumschlag gestaltet, der wesentliche Übereinstimmungen mit dem oben gezeigten Broschurumschlag zeigt. Aller­dings waren die Schutzumschläge nur einfarbig bedruckt und verzichteten beim Hinter­deckel auf das zentrale Dekorelement und die Druckerzeile.

Schutzumschlag
Die Leinenausgaben der „Himmelsgedanken“ waren mit einem Schutzumschlag versehen, der sich gestalterisch von denen der „Reiseerzählungen“ unterschied, aber die Gestaltung des Bro­schurumschlags wieder aufgriff.

Keine Regel ist ohne Ausnahme. Und so sind beim Typ b) noch zwei Einzelstücke vor­zustellen, die in kein Schema passen. Jens Pompe stellte und freundlicherweise diese Abbildung aus seinem Exemplar zur Verfügung, das sich durch deutlich abweichendes Vorsatzpapier auszeichnet:

Typ b Pompe
Dieses Vorsatzpapier ist bisher bei nur einem einzigen Exemplar von Typ b) belegt.

Mit einem Schmankerl ganz eigener Art machte uns Joachim Biermann bekannt. Sein Ex­emplar vom Typ b) verwendet die Vorsätze der Standardedition der „gesammelten Rei­se­er­zäh­lun­gen“. Und anstelle des sonst üblichen dreiseitigen Goldschnitts verfügt es über eine Schnittmarmorierung, die ebenfalls für die „Reiseerzählungen“ kennzeichnend ist:

Typ b Biermann
Joachim Biermanns Exemplar vom Typ b) mit dem Vorsatz der „gesammelten Reiseerzählungen“ …
Typ b Schnitt Biermann
… und auch deren Schnittmarmorierung.

Typ c) Gebunden in Leinwand — ›Sternausgabe‹ normal

Nach dem Gestaltungswechsel erhielten die „Himmelsgedanken“ einen aufwändiger ge­präg­ten Vorderdeckel mit einem strahlenbekränzten Stern und einer zur Harfe ausgearbeiteten Titelversale „H“ wie weiter oben bereits abgebildet, die wir mangels greifbarer Alternativen im Vergleich zu später entstandenen Varianten schlicht als „normal“ bezeichnen wollen. Wann genau der Wechsel stattfand, ist noch nicht eruiert. In unserem Mitteilungsbeitrag dokumentierten wir den uns zu dem Zeitpunkt frühesten bekannten Beleg von Juni 1910:

Widmungexemplar FU
Um 90 Grad gedrehte Widmung Karl Mays von Juni 1910 in einem Exemplar der ›Stern­aus­ga­­be‹ aus dem Bestand der Freien Universität Berlin.

Sowohl Hartmut Wörner als auch Nico Karpinski haben uns freundlicherweise jüngere Belege nach­­gereicht. Diese sind aber inzwischen obsolet, nachdem uns Hans Grunert mit einem sehr frühen Exemplar bekannt gemacht hat, das mit einer Widmung Karl Mays von Allerseelen [2. November] 1902 versehen ist:

Widmung Allerseelen 1902
Bislang frühestes bekanntes Exemplar einer Sternausgabe in Leinwand mit Karl Mays Widmung von Allerseelen 1902

Damit dürfte das Fenster geschlossen sein. Etwa gegen Ende 1902 scheint die Sternausgabe erstmals eingeführt worden zu sein. Karl May als jemand, der Widmungsexemplare ge­ra­de­zu verschwenderisch streute und deshalb regelmäßig bei seinem Verleger nachorderte, dürfte einer der ersten gewesen sein, der sie hatte. Dass der Buchhandel noch Anfang 1903 (wie oben abgebildet) oder auch noch Monate oder gar einige Jahre später noch über die schlichte Nur-Text-Version verfügte, ist völlig normal und keine Gegenanzeige. Mit der Herstellung einer neuen Bindequote sind ja nicht automatisch Altbestände restlos vom Buchmarkt ge­fegt.

Etwas befremdlich wirkt das eingeklebte Porträt der Witwe Plöhn. Zum Zeitpunkt der Widmung war Karl May noch nicht von Emma geschieden und schon gar nicht mit Klara verheiratet. Beides erfolgte erst im März 1903.

Typ d) Gebunden in Leinwand — ›Sternausgabe‹ Kupfer

Eine spätere Version der Sternausgabe zeichnet sich durch wieder etwas hellere Leinwand und durch eine Goldprägung mit höherem Kupferanteil aus, was uns zur Namensgebung ver­­­lei­te­te. Der zweizeilige Textblock »von / Karl May« ist ein paar Milimeter nach oben rechts verschoben, wohingegen alle anderen Elemente der Deckelprägung ihre Position bei­be­hielten. Man erkennt es recht gut im Direktvergleich der Typen c) und d), wenn man den Slider mit der Maus verschiebt:

Typ c) normal Typ d) Kupfer

Typ e) Gebunden in Leinwand — ›Sternausgabe‹ changierend

Die bisher beschriebenen Gewebeeinbände wiesen einfarbige Leinwand auf. Völlig anders ver­hält es sich mit diesem Exemplar:

Deckelbild changierend
Erstmals dokumentierte Ausgabe des Gedichtbandes in changierender Leinwand – Variante e).

Die abweichende Einbandtextur ist schon sehr auffällig. Hinzu kommen noch ein paar sub­tilere Varianten in der Rückenprägung:

Rückenvergleich d) und e)
Vergleich der Rückenprägungen der Varianten d) und e). Zu beachten sind in Zeile 1 die Größe des „H“, das rechts deutlich unter die Grundlinie fällt, in Zeile 2 die Laufweite und in Zeile 4 die Typografie der Kleinbuchstaben.

Das einzige uns bekannte Exemplar dieses Einbandtyps ist zudem in einem Schuber mit aufgestempeltem Titel über die Zeit gekommen. Da uns Vergleichsstücke fehlen, können wir nicht mit allerletzter Sicherheit garantieren, dass er authentisch ist. Der Schuber zeigt allerdings keinerlei Hinweise auf eine private Fertigung:

Himmelsgedanken Schuber

Typ f) Gebunden in Leinwand — ›Sternausgabe‹ Fliegenkopf

Eine letzte in Leinwand ausgeführte Variante zeichnet sich durch eine lederähnlich genarbte Oberfläche aus, durch ein kopfstehendes Aldusblatt auf dem Rücken (in der Fachsprache von Druckern und Setzern ein sogenannter ›Fliegenkopf‹) und durch von der bisherigen Norm abweichende Vorsatzpapiere. Die folgenden Abbildungen bemühen sich um Darstellungen im Detail:

Rücken der Typen b) bis f)
Die Rücken der Varianten b) bis f), bei letzterer mit kopfstehendem unteren Fleuron. Der ins­ge­samt dunklere Blauton ist im Vergleich zu den vorherigen Varianten leicht erkennbar, eben­so die genarbt wirkende Oberfläche.
Typ f) Vorderdeckel.
Die Ausschittvergrößerung des Vorderdeckels der Variante f) belegt die Narbung der Lein­wand. Dass es sich nicht, wie bisher behauptet, um Leder handelt, ist an den beriebenen Stellen des Außengelenks, vor allem links unten, gut zu erkennen. Die Fäden des Gewebes lassen sich zählen.
Rückentitel Typen e) und f)
Vergleich der Rückenprägungen der Varianten e) ud f). Zu beachten sind in Zeile 1 die Größe des „H“, in Zeile 2 die Zeichenabstände und in Zeile 4 die Typografie der Kleinbuchstaben. Man kehrte offenbar zu einer früheren Prägeversion zurück.
Aldusblatt kopfstehend.
Diese Detailvergrößerung zeigt den Fuß der Rücken der Typen e) und f) im Vergleich. Am auf­­fälligsten ist das rechts kopfstehende Aldusblatt, ein herstellerischer Fehler. Auch hier ist die genarbte Oberfläche beim Typ f) gut zu erkennen. Jedoch legen auch hier die beriebenen Stellen an der Stehkante den Blick auf das Gewebe frei.
Binderpräger
Blindpräger der Binderei „C·H·Schwabe·Stuttgart·“ unten auf dem Hinterdeckel der Variante f). Dieses gestalterische Element finden wir bei den früheren Varianten nicht. Auch hier lässt sich an den beriebenen Kanten das Leinwand-Gewebe gut erkennen. Leder wird nur vorgetäuscht.

Typ f) verwendete das oben gezeigte Standardvorsatzpapier nicht mehr. Die Vorräte waren offenbar verbraucht. Man griff auf beliebige Reste zurück. Wir zeigen exemplarisch drei ver­schiedene Muster uns bekannter Belege:

Vorsatz1
Das uns vorliegende Exemplar weist ein bislang undokumentiertes Muster auf, das man aber auch bei Kalblederausgaben der „gesammelten Reiseerzählungen“ findet, und ist zudem mit ei­ner privaten Widmung versehen, die einen Datierungshinweis liefert: „Der lieben Else zum An­denken / Ernst / Juli im Jahre 1917“.
Vorsatz1b
Das gleiche Muster zeigt auch das Exemplar von Edmund K. Jendrewski. Das uns dan­kens­wer­ter­weise zur Verfügung gestellte Foto entstand unter anderen Beleuchtungsbedingungen und wirkt deshalb farblich etwas anders.
Vorsatz2
Dieses Vorsatzpapier gehört zum Belegstück von Gerhard Klußmeier, der uns das Bild dan­kens­­wer­ter­wei­se zur Verfügung gestellt hat. Es ist übrigens dasselbe Exemplar, dessen Rücken mit Fliegenkopf auf der Vorderseite des Schutzumschlags der Plaul’schen Bibliografie zu sehen ist. Dieses Vorsatzpapier finden wir übrigens auch bei der Lederausgabe des Karl-May-Verlags von „Babel und Bibel“ – ein weiteres Indiz also, dass die „Fliegenkopf“-Variante nicht mehr in die Fehsenfeld-Zeit fällt.
Titelei Klußmeier
Die Titelei des Exemplars von Gerhard Klußmeier belegt mit dem aufgestempelten Aus­fuhr­zen­surzeichen „Z XIX“, dass es frühestens während des Ersten Weltkriegs vom KMV verkauft worden sein kann. Ganz nebenbei sei noch bemerkt, dass der mit Bleistift oben links notierte Preis von 4.50 [M] zur Leinenausgabe passt, nicht aber zur behaupteten Lederausgabe, die 6 Mark gekostet hätte.
Vorsatz3
Ein wieder anderes Vorsatzpapier zeigt ein Exemplar aus dem Besitz von Helmut Moritz, der freundlicherweise dieses Foto zur Verfügung gestellt hat.
Widmung 1920
Das Exemplar von Helmut Moritz liefert gleich zwei Belege für ein spätes Erscheinen. Zum ei­nen erkennen wir unten rechts angeschitten das aufgestempelte Ausfuhrzensurzeichen „Z XIX“. Zum zweiten wurde das Exemplar gemäß der privaten Widmung gegenüber der Titelei zu Weihnachten 1920 verschenkt.

Typen g), h) und i) Leder

Neben den Leinenausgaben, waren auch in Leder gebundene Vorzugsexemplare käuflich zu erwerben. Wir können drei verschiedene Varianten nachweisen, die teils überlappend glei­che Merkmale aufweisen, weshalb wir hier die Überschriften zusammengefasst haben. Hin­ter Typ g) verbirgt sich die Nur-Text-Variante, Typ h) repräsentiert die normale Stern­aus­ga­be, Typ i) ist eine Sparversion davon. Allen drei Versionen gemeinsam ist schwarzes Leder als Bezugsmaterial. Die nachfolgenden Abbildungen sind in den Bildunterschriften den drei Typen zugeordnet.

Vorderdeckel Leder
Vorderdeckel der Lederausgaben – links für den Typ g) sowie rechts für die Typen h) und i).
Leder Hinterdeckel
Hinterdeckel der Ledereditionen. Die goldene Rahmenprägung finden wir bei den Typen g) und h) (links). In der Sparversion rechts vom Typ i) finden wir hingegen nur eine Blind­prä­gung.
Leder Vorsätze
Die Vorsätze der Lederausgaben zeigen dasselbe Muster wie bei der Leinenausgabe. Bei den Typen g) und h) (links) sehen wir die bei Lederbänden eigentlich übliche Verstärkung der Innenfalz durch einen – hier dunkelblauen – Leinenstreifen. Dazu sind die Spiegel etwas klei­ner geschnitten als die Fliegenden Blätter, wodurch Platz geschaffen wurde für eine um­lau­fen­de Innenkantenvergoldung. In der Sparversion Typ i) rechts fehlen beide Merkmale.
Leder Rückentitel
Vergleich der Rückenprägungen der Typen h) (links) und i) (rechts). Veränderungen sehen wir in Zeile 1 bei der Größe des „H“ und in Zeile 2 bei der Laufweite, sodass der Typ i) einzelne Merkmale aufweist, die wir auch bei der späten changierenden Leinwand-Type e) sehen. Die Lederbräunung rechts ist eine Folge zu intensiver Lichteinwirkung und tut zur Typisierung nichts zur Sache. Wir betrachten die Sparversion als ein Nach-Fehsenfeld-Phänomen.

Gegenanzeigen

Nach Redaktionsschluss wurde uns noch eine Lederausgabe vorgestellt, die zeitlich nicht in das bisherige Schema passt. Es handelt sich dabei um eine Sternausgabe vom Typ h) mit einer Widmung Karl Mays von Weihnachen 1900. Hans Grunert, der uns freundlicherweise die Abbildungen aus dem Bestand des Karl-May-Museums zur Verfügung stellte, vertrat aufgrund dieses Exemplars die These, dass die Lederausgabe von Anfang an die Stern­prä­gung aufwies, die man erst später auch für die Leinenedition übernahm. Dagegen spricht aber die Existenz einer Lederausgabe im Nur-Text-Gewand, die wir oben dokumentiert ha­ben. Es lässt sich viel spekulieren: Hatte Karl May möglicherweise ein Musterexemplar ver­schenkt? Ist die Widmung irrtümlich oder vorsätzlich rückdatiert (etwa als persönlichen Gefallen für den von ihm finanziell unterstützen Johannes März, der es May verdankte, das Gymnasium und die Universität besuchen zu können). Gab es entgegen allen anderen oben aufgeführten Indizien beide Deckelprägungen doch gleichzeitig? Eine gültige Erklä­rung können wir derzeit nicht anbieten. Vorläufig können wir nun der Pflicht zur Doku­mentation nachkommen:

Grunert Widmung
Widmung Karl Mays für den Lehrer Johannes März von Weihnachten 1900 in einer Lederausgabe der „Himmelsgedanken“ mit Stern-Prägung.
Grunert Einband
Ledereinband des obigen Widmungsexemplars.
Grunert Vorsatz
Das Vorsatz ist mit einem Ex Libris des Widmungsempfängers Johannes März versehen.

Produktfälschungen

Ergänzend zu unserem Beitrag in den M-KMG wollen wir noch darauf hinweisen, dass es Ledereinbände aus neuerer Zeit (Anfang 2000er-Jahre) des Typs g) gibt, die teils für Ori­ginale gehalten werden, teils als solche verkauft wurden. Mindestens in letzterem Fall ist es statthaft, von Fälschungen zum Schaden der Sammler zu sprechen. Es wurden dabei zeit­ge­nös­si­sche originale Buchblocks mit neu gefertigten Einbänden versehen, bei deren Her­stel­lung Einbandpräger benutzt wurden, die für nie erschienene Reprints schon fertiggestellt waren. Allerdings fehlen bei diesen Nur-Text-Einbänden die Innenkantenvergoldung und der Leinenstreifen in der Innenfalz, wodurch diese Fälschungen auch für diejenigen als solche identifizierbar sind, die kein Auge für die zu gelbe Goldprägung haben.

Nachtrag4
Wie gut die Fälschungen tatsächlich sind, ist an diesem Belegstück aus der Sammlung von Hel­mut Kißner (†) zu erkennen.
Leder rot
Dieses etwas verwackelte Foto zeigt eine rote Lederdecke. Wir wissen nicht, ob sie auch zum Aufbinden eines Buches verwendet wurde. Die Goldfärbung ist zu hell für ein zeitgenössisches Exemplar.
Nachtrag 5
Auch von der Sternausgabe gibt es Nachbauten in Leder. Uns liegt zwar der fotografische Beleg für ein solches Exemplar vor. Da uns eine Erlaubnis zur Verwendung aber nicht erteilt wurde, zeigen wir im Rahmen des erlaubten Kleinzitats nur das anstelle des Aldusblattes dabei ver­wen­dete Fleuron auf dem Rücken, wodurch diese Bände von originalen Fehsenfeldern leicht un­terscheidbar sind.

In jüngster Zeit kamen auch Nachbauten der Sternausgabe in Leinwand auf den Markt. Wir kennen bisher vier Farben: oliv, rot, schwarz und violett. Wir wissen nicht, welche Blocks verwendet wurden. Zur Unterscheidung von den zeitgenössischen Originalausgaben fand auf den Rücken anstelle der Aldusblätter die Palme Verwendung, die der KMV jahr­zehn­te­lang als Logo/Signet eingesetzt hat:

Nachtrag 6
Auch hier können wir wieder nur im Rahmen des erlaubten Kleinzitats Belege für nachgebaute Sternausgaben in verschiedenen Leinwandfarben zeigen.

Wer immer ergänzende Informationen und erhellendes Bildmaterial liefern kann, fühle sich herzlich eingeladen. Korrekturen und Ergänzungen können hier im Blog jederzeit vorge­nom­men werden.

Sehr zu danken haben wir zahlreichen Aktiven der Karl-May-Szene, die uns Bildmaterial für den Mitteilungsbeitrag zur Verfügung gestellt haben. In alphabetischer Reihenfolge sind das Ruprecht Gammler, Hans Grunert (Karl-May-Museum), Edmund K. Jendrewski, Gerhard Klußmeier, Helmut Moritz, Jens Pompe, Stefan Schmatz und Bernhard Schmid (Karl-May-Verlag). Für freundliche Auskünfte danken wir ferner Lucia Meidinger (Freie Universität Berlin, Universitätsbibliothek, Informationszentrum).

Für Ergänzungen, die hier in den Blog bereits eingeflossen sind, bedanken wir uns sehr herz­lich bei Joachim Biermann, Hans Grunert, Nico Karpinski, Jens Pompe, Tanja Trübenbach und Hartmut Wörner.

Christoph Blau/Wolfgang Hermesmeier
Berlin, im Juli 2024
Zuletzt aktualisiert: 7. Oktober 2024


Literaturverzeichnis

‹ISSN 0941-7842›

Blau/Hermesmeier Christoph Blau/Wolfgang Hermesmeier: Der Band muß ein hochfeines Aussehen ha­ben. Zur buchgestalterischen Ausstattung der Erstausgabe von Karl Mays Him­­mels­gedanken (Teil 1). In: Mitteilungen der Karl-May-Gesellschaft 2. Quartal | 56. Jahr­gang | Nummer 220. Radebeul, Karl-May-Gesellschaft, Juni 2024; Seiten 46–58.

‹ISSN 0941-7842›

Blau/Hermesmeier Christoph Blau/Wolfgang Hermesmeier: Der Band muß ein hochfeines Aussehen ha­ben. Zur buchgestalterischen Ausstattung der Erstausgabe von Karl Mays Himmels­gedanken (Teil 2). In: Mitteilungen der Karl-May-Gesellschaft 3. Quartal | 56. Jahr­gang | Nummer 221. Radebeul, Karl-May-Gesellschaft, September 2024; Seiten 26–35.

‹ISBN 3-361-00145-5› resp. ‹ISBN 3-598-07258-9›

Plaul Hainer Plaul: Illustrierte Karl May Bibliographie · Unter Mitwirkung von Gerhard Klußmeier. Leipzig, Edition Leipzig, (1988). resp. München—London—New York—Pa­ris, K[laus] G[erhard] Saur, 1989.

2 Gedanken zu „„Der Band muss ein hochfeines Aussehen haben.“

  • Nico Karpinski

    Sehr interessanter Beitrag! Mein Exemplar, Typ b, besitzt eine Widmung von April 1907 „Zu Andenken an deinen Mann“. Falls gewünscht, würde ich davon ein Foto machen.

    Antwort
    • Vielen Dank für Hinweis und Angebot. Hätte ich auch gern Gebrauch von gemacht, wenn das nicht durch jüngst erworbene Erkenntnis obsolet wäre. Der Wechsel bei der Deckelgestaltung ist schon gegen Ende 1902 erfolgt. Die mir zugegangenen Belege werde ich spätestens im Laufe des morgigen Tages ergänzend in den Beitrag einfügen. Es gibt auch noch ein paar Kuriosa vorzuführen.

      Antwort

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